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100-km-Premiere in Ägypten, von Kairo in die Wüste
 
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14.11.2001 

 

Am 9. November 2001 fand der 1. Pharaonen-Lauf christlicher Zeitrechnung statt. Das historische Vorbild ist urkundlich auf einer Steinplatte festgehalten, die der Ägyptologe Ahmed Moussa 1977 bei Ausgrabungsarbeiten fand. Irgendwann zwischen 690 und 665 vor Christi Geburt wollte der Pharao Taharka auf einer Inspektionstour die Fitness seiner Soldaten testen. Und so startete erstmals ein 100-km-Lauf  zwischen der Pyramide von Sakkara und der Oase von Faijoum, an dem der Pharao zumindest auf einer Etappen selbst teilnahm. Es ging vorbei an den Pyramiden von Memphis, Daschur und Elleshet bis hin zur Pyramide von Hawara. Alles unter anderem nachlesbar in der Diplomarbeit unserer Ultra-Königin Birgit Lennartz, die der Geschichte des Ultralaufs gewidmet ist. Damals beendete laut Steinplatte ein ägyptischer Soldat den Fitness-Test in acht Stunden, am 9. November 2001 siegte wieder ein Ägypter, in diesmal 08:35:20.

Der 29jährige Mahmoud Ali Abdel Rehim (Marathonbestzeit 2:27) krönte seinen ersten 100-km-Lauf  mit einem Sieg und einem ersten ägyptischen Rekord. Denn bisher ist keine Teilnahme eines Ägypters über diese Ultra-Strecke Akten- bzw. Ergebnislisten-kundig und zum anderen ist das Ergebnis Bestenlisten fähig. Kein geringerer als der Engländer Hugh Jones, seiner Würden AIMS Generalsekretär, hat die Laufstrecke nach dem von ihm argusäugig behüteten Regelwerk vermessen und dokumentiert. Renndirektor ist der Ägypter Gasser Riad, der einmal mehr den Stendaler Gerd Engel mit ins Schilfboot nahm. Bereits verantwortlich für den seit acht Jahren erfolgreichen Ägyptenmarathon reisten Gerd und Ehefrau Liesel gen Memphis, um die organisatorischen Aufgaben auch für den ersten 100-km-Lauf im Land der Pyramiden zu übernehmen und altbewährt zu lösen. Verantwortlich für die Strecke war ein weiterer deutscher Läufer und Lauforganisator, der Berliner Roland Winkler. Sein Bestreben ist es, jedem von ihm mitorganisierten Lauf den Stempel AIMS geprüft aufs Start- und Zielband zu drücken. Womit wir wieder bei Hugh Jones wären, der von Roland Winkler aus dem nieselig nassen England an den sommerlich warmen Nil geholt worden war.

Aber zum Lauf selbst: Der erste Höhepunkt vor dem eigentlichen Start war am 9. November bereits früh morgens am Hotel, dem „Le Meredien Pyramids“. Das 60köpfige Läuferfeld aus sieben Nationen nahm die Begleitfahrzeuge in Empfang. Für jeden (!) Einzelläufer über die 100 Kilometer sowie für jede Mannschaft (2 bis 5 Läuferinnen und Läufer) stand ein Kleinbus mit Fahrer bereit, in dem Wasser und Verpflegung sowie Wechselkleidung (und Staffelläufer) über die gesamte Strecke transportiert wurden und somit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unmittelbar bei Bedarf zur Verfügung standen.

Um kurz nach 6 Uhr gab dann der Sportminister Ägyptens vor der berühmten Stufenpyramide von Sakkara den Startschuss. Mit einem Wendepunkt-Abstecher zur Pyramide von Daschur und an einem der Bewässerungskanäle des Nil entlang, durch kleine Ortschaften und Oasen, zwischen Reispflanzen und Dattelpalmen spulten sich die ersten 70 Kilometer landschaftlich recht reizvoll und kurzweilig ab. Wenn sich die Strecke auch durchweg asphaltiert und fast brettglatt gut laufen ließ, zeigten sich schnell die eigentlichen Probleme: nach den ersten Kilometern in der Dämmerung der ewigen Smog-Glocke Kairos gerade entronnen, stiegen die Tagestemperaturen schnell auf 28 Grad, verbrennendes Reisstroh reizte die Atemwege. Und dann kam die Einsamkeit. Nachdem sich das Läuferfeld schnell auseinandergezogen hatte, blieben Ingeborg Urbach von GSV Porz als einziger Frau und ihren 15 männlichen Mitstreitern gute 80 Kilometer Weg ohne jedweden Kontakt zu einem Mitläufer. Und die letzten 30 Kilometer ging es dann vom grünen Nil weg hinein in die Wüste.

Als Gesamtzweiter erreichte hinter dem 29jährigen Ägypter ein 63jähriger Bayer das Ziel. Erwin Remmele aus Taufkirchen unterstrich einmal mehr seine Leistungsfähigkeit, und das fünf Tage nach der Teilnahme beim New York Marathon. Der Dritte, Otmar Rüdig aus Neuwied, wurde vom ägyptischen Fernsehen ausgiebigst zu seinem Lauferlebnis befragt und war mit seinem bisher besten Plazierungserfolg bei einem 100er sichtlich zufrieden. Den Mannschaftswettbewerb entschieden zwei ägyptische 5er-Staffeln, die nach 5:44:24 und 5:48:23 die Hawara-Pyramide erreichten, für sich. 7:25:18 benötigte ein gemischtes  Lufthansa-Team, eine Frau und vier Männer, das den dritten Platz belegte und die ihre Freude über das gelungene Abenteuer beim Zieleinlauf  jubelnd zum Ausdruck brachten.

Wenn auch übermütige Kinder, die nach den leichtbekleideten Läufern und Läuferinnen mit Steinen warfen, sowie das Mittagsnickerchen des ein oder anderen Begleitfahrers, was zu – letztlich verschmerzbaren – kurzfristigen Versorgungslücken führte, für vorübergehende Irritationen im Läuferfeld gesorgt hatten, so ist doch das Bemühen offenkundig, aus dem alten Ägypten in die internationale sportliche Neuzeit eine Brücke zu schlagen. In für uns ungewohntem Laufdress, mit Kopftuch und langem Beinkleid fast völlig verhüllt, aber dennoch erfolgreich, beendeten fünf 19- bis 21jährige Ägypterinnen als einziges Damen-Team den Lauf. Große Aufmerksamkeit widmeten Fernsehsender und Zeitungen dem Ereignis, der Sportminister Ägyptens war Schirmherr, der abschließende Gala-Abend ein glänzender Abschluss.

Am Tag danach diskutierten u. a. Uwe Cizinski (4. Platz) aus Kiel, selbst erfahrener Organisator des Kieler 6-Stunden-Laufs und eines Marathonlaufs, und Laufdirektor Gasser Riad Optionen und Perspektiven, um diesem Lauferlebnis Rahmen und Struktur zu geben, die am 1. November 2002 zum 2. Pharaonen-Lauf einem weitaus größeren Läuferschar eine Teilnahme auf den Spuren der Pharaonen ermöglicht. Soviel scheint sicher: Der Start für die 100-km-Läufer wird in die Oase Faijoum vor die Hawara-Pyramide verlegt und Sakkara wird das Ziel.

 





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Autor: Copyright Michael Schläbitz für Laufen-in-Koeln,