Laufen.NRW (Köln)
Das überregionale Online-Magazin im Rheinland
Über 6.500 Beiträge zu allen Themen rund um den Laufsport

DRUCK-VERSION 20.12.2008

 

 
 

Kapitel 6: Der 3. GutsMuths-Rennsteiglauf und seine Nachwehen
 
Laufen-in-Koeln >> Marathon und Ultraläufe >> Deutschland >> GutsMuths-Rennsteiglauf >> Artikel

21.05.2002 

 

Der 3. GutsMuths-Rennsteiglauf war, wie seine beiden Vorgänger, noch stark vom Studentensport der Jenaer Universität getragen. Nicht nur die Idee, die Ausschreibung und ein Teil der Organisation wurde von Studenten und Mitarbeitern der Universität übernommen. Fast ein Drittel der Teilnehmer (281) stammte von Hoch- und Fachschulen aus der ganzen DDR. Im Organisationsstab waren 16 Studenten tätig. Das gesamte Meldebüro wurde von Jenaern gestellt, die tatkräftig von Herbert Weiß und einigen Sportfreunden aus Goldlauter und Schnepfenthal Unterstützung erhielten. Bis kurz vor dem Start arbeiteten alle fleißig bei der Ausgabe der Startunterlagen usw., um dann pünktlich in der Nacht um 1.00 Uhr selber als Aktive an den Start zu gehen, darunter waren auch der Gesamtleiter H.-G. Kremer und sein Stellvertreter H. Weiß.

Nach dem Lauf erschien erstmals ein Ergebnisheft mit einem wissenschaftlichen Teil über die sportmedizinischen und soziologischen Untersuchungsergebnisse, denen sich alle Teilnehmer der "Langen Strecke" unterziehen mussten. Die meisten Teilnehmer des 3. Rennsteiglaufes kamen mit 88 Startern aus dem Raum Leipzig. Jeweils 54 sind es aus Dresden und Jena, 48 aus Zella-Mehlis, 42 aus Erfurt und Cottbus, 36 aus Suhl, 28 aus Ilmenau, 26 aus Weimar und Halle.

Zu den Kuriosa dieses Laufes dürfte die Geschichte des 79 jährigen Eduard Malcolm aus Jena zählen. Er hatte die Teilnahme an der "Kurzen Strecke" (38 km) abgelehnt, da diese nur von Frauen gelaufen würde. Da Eduard Malcom in Jena den Bus verpasste, der von der Universität bereitgestellt wurde, fuhr er mit dem Fahrrad zum Start nach Schnepfenthal (80 km). Als der rüstige Rennsteigläufer dann wegen der Dunkelheit doch unterwegs aufgab, lief er zurück zu seinem Rad in Schnepfenthal und fuhr wieder nach Hause.

Zu den Besonderheiten des Rennsteiglaufs gehörte auch die Versorgung. Nach sportmedizinisch vorbereiteten Rezepten gab es Haferschleim an fast allen Verpflegungsstellen und in Limbach für alle Teilnehmer eine Banane. Wer die Versorgungslage in der DDR noch kennt, kann einschätzen, was dies bedeutete. Die Bananen hatte ein Sportlehrer der Jenaer Universität auf Grund seiner Beziehungen im "Russen-Magazin", einer Verkaufsstelle der "Sowjetischen Garnison", beschafft.

Auch die Ausgabe eines Teilnehmerabzeichens an alle im Ziel gehörte zu den Extras dieses Laufes. Sie wurden vom dem später bekannten Thüringer Medailleur Helmut König aus Zella-Mehlis in Feierabendarbeit geprägt. Für die fünfzehn silbernen Nadeln, die als Auszeichnung an die wichtigsten Organisatoren vergeben wurden, stiftete der Gesamtleiter des Laufes einen silbernen Löffel aus dem Familienbesteck.

Unmittelbar nach dem Lauf bemühte sich die HSG Uni Jena, den weiteren Bestand dieser Veranstaltung zu sichern, da die Mehrheit der Teilnehmer schon im Ziel angekündigt hatten, dass sie im nächsten Jahr wiederkommen würden. Die HSG-Leitung bot daher dem DTSB-Bundesvorstand die Übernahme des GutsMuths-Rennsteiglaufes als Veranstalter an. Etwa gleichlautend schrieb der Schirmherr des 3. Rennsteiglaufs, Prof. Dr. W. Schröder als Vorsitzender der Universitätssportkommission, an den Minister für Hoch- u. Fachschulwesen der DDR, dass er seine (des Ministers) Unterstützung darin sehen würde, dass der Minister dem Präsidium für Hoch- und Fachschulsport die Hauptverantwortung für die Durchführung des 4. GutsMuths-Gedenklaufes 1976 übertragen könnte. Die HSG der Friedrich-Schiller Universität Jena wäre bereit die Gesamtleitung zu tragen, wenn sie nicht wieder finanziell zuschießen müsste. Als Antwort erhielt die Universitätsleitung vom Minister für Hoch- und Fachschulwesen einen ablehnenden Antwortbrief, der folgenden wichtigen Satz enthielt: "Nach Rücksprache mit dem Vizepräsidenten des DTSB der DDR, der seinerseits Gen. Manfred Ewald konsultierte, ergibt sich, daß eine zentrale Gedenklaufveranstaltung nicht akzeptiert wird (keine sportpolitische, sportliche oder sportmedizinische Notwendigkeit)." Dies war zwar verklausuliert aber doch sehr deutlich der Hinweis an die Universität Jena den Lauf nicht mehr zu organisieren, was fast einem Verbot gleichkam. Da dieses Schreiben auf dem Schreibtisch der Universitätsleitung bis zum Semesterbeginn liegenblieb, begannen die Akteure in der HSG und in Goldlauter mit den Vorbereitungsarbeiten, mussten aber bald merken, dass die Unterstützung von höher gestellten Institutionen deutlich nachließ. So lehnte z. B. die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) ab, ihr Ausbildungslager in Scheibe-Alsbach als Übernachtungs- und Organisationsstandort eines Starts bereitzustellen. Um der Organisation einen offiziellen Rahmen zu geben, trafen sich die mitorganisierenden Sportgemeinschaften im Herbst in Goldlauter und gründeten eine Interessengemeinschaft "GutsMuths-Rennsteiglauf". Bernd Will von der SG Beerberg Goldlauter erklärte sich bereit, die Gesamtleitung zu tragen. Herbert Weiß übernahm wieder die technische Leitung. Agitation und Propaganda (Öffentlichkeitsarbeit) Finanzen und anderes verblieb bei den Gründern in Jena.

Da die im Bereich des DDR-Kulturbundes übliche lockere und basisdemokratische Organisationsform einer Interessengemeinschaft im zentral gelenkten DDR-Sport unbekannt war, gelang es dem Vorsitzenden des DTSB Bezirksvorstandes Suhl, beim DTSB Bundesvorstand die Zustimmung zur Übernahme des GutsMuths Rennsteiglaufes 1976 zu erhalten. Damit war zwar der bisherige Name nach heftiger Diskussion von GutsMuths-Gedenklauf in GutsMuths-Rennsteiglauf geändert aber der weitere Bestand als Ultramarathon vorerst gesichert.





__________________________________
Autor: Copyright Hans-Georg Kremer,