Kölnmarathon: Wenn ein
Traum in „verkehrter Welt“ in Erfüllung geht
Am 2. Oktober stand ich zum neunten Mal beim Kölnmarathon am Start. Nach
sieben Starts als Speedskaterin nun zum zweiten Mal als Läuferin.
Die Vorbereitung auf den Lauf gestaltete sich schwierig, der September
vollgepackt mit Skaterennen: Deutsche Marathon Meisterschaft in
Bielefeld, German Road Challenge in Regensburg, German Inline Cup in
Prag und als Höhepunkt des Jahres der World Inline Cup in Berlin. Aber
Laufen kann man ja im Gegensatz zum Skaten überall. Im Urlaub auf Kreta
30km bei 30°, nach dem Halbmarathon in Prag noch 35km zu Fuß im Park
weitergelaufen oder abends nach der Arbeit auf dem Laufband im
Fitnessstudio. Mit 30 Laufeinheiten von Intervallen bis hin zu
35km-Läufen war ich gut auf Köln vorbereitet und wollte die 3 Std.
knacken. Aber dann kam es, wie es so oft kommt, Â… die ganze Saison
gesund geblieben und nach dem letzten Rennen in Berlin, dann krankÂ…
Meine Gedanken: Warum nicht eine Woche später? Ich hab doch noch einen
Marathonlauf vor mir. Aber egal, das Beste draus machen und versuchen
bis Sonntag wieder gesund zu werden. Tapering in Form von Nasenspülungen
und Halsbonbons - eine ganz neue Form der Vorbereitung, aber wirksam.
Am Sonntag ging es mir besser und ich entschied mich zu starten. Mit dem
Fahrrad ging es nach Deutz in den Startbereich. Erstmal die
Eigenverpflegung am Auto abgeben und den Kleiderbeutel zum LKW bringen.
Dann Aufwärmen und ab in den Startblock. Ich entschied mich, alles auf
eine Karte zu setzen und stellte mich zur 3 Std. Gruppe. Dann der erste
Schock als ich mich beim Pacemaker nach seinem Plan erkundigte „1:28
Std. auf der ersten Hälfte“ ach du scheiße… ich wollte nicht auch noch
eine HM Bestzeit aufstellen und dachte es sei besser die erste Hälfte
langsamer zu laufen als die zweite, aber es gab 3 Pacemaker zur Auswahl.
Also habe ich mich schnell zu einem der anderen gestellt.
Kurz nach 10 Uhr fiel dann der Startschuss und jede Menge Konfetti.
Dadurch dass ich in diesem Jahr weit vorne stand entfiel das Zickzack
laufen auf dem ersten Kilometer und die Pace war schnell, eigentlich zu
schnell, 4:10min/km und mir war kalt. Bei km 3 bekam ich schon Probleme
mit Seitenstechen und war der Verzweiflung nahe, auf die Atmung
konzentriert lief ich trotzdem weiter und nach der ersten
Verpflegungsstelle ging es mir wieder gut. Die Eigenverpflegung war dank
„Happy Meal“ Fahnen gut zu finden, sie stand zwar in der dritten Reihe,
aber ich habe es geschafft sie im Laufen zu angeln.
Beruhigt, dass die Eigenversorgung klappt, lief ich weiter mit der 3
Std. Gruppe zurück Richtung Innenstadt. Am Neumarkt war ich warm und das
Tempo fühlte sich locker an. Weiter ging es Richtung Uni durch den
Tunnel, Luxemburger Str. herum und wieder zurück zur Uni, nochmal durch
den Tunnel. Mittlerweile hatte ich die Info von den Zuschauern bekommen
das ich die 5. Frau sei. Wie krass, unter die ersten 5 zu laufen, das
wäre mega geil, dachte ich. Die 3 Std. Gruppe war derweil auf eine
angenehme Größe zusammen geschrumpft. Mein nächster Streckenpunkt „zu
Hause“ Aachener Str./Melaten war mittlerweile auch abgehakt. Weiter zum
Rudolfplatz und dann ist schon Halbzeit. Auf der Aachener Str. gab es
dann auch erstmals Gegenwind, aber die Männer der Gruppe waren Gentlemen
und boten reichlich Windschatten. Nachdem ich die Halbmarathonmarke
überquert hatte und es mir super gut ging, dachte ich zum ersten Mal
darüber nach, dass ich es wirklich schaffen könnte mit einer Zeit unter
3 Std. ins Ziel zu laufen. Völlig euphorisch teilte ich dies auch meinem
Freund am Streckenrand mit. Die Vogelsanger und Venloer Str. entlang
lief es noch super. Bei Km 28 überholten wir eine Frau die mit
Begleitfahrrad am Rand stand. Ich realisierte das gar nicht, aber der
Pacemaker meinte: jetzt sind nur noch 3 Frauen vor dir. Na prima,
Vierte, aber Hauptsache unter 3 Std. bleiben. Wir näherten uns mit km 30
der Stelle an der ich im vergangenen Jahr die 3:15 Std. Gruppe ziehen
lassen musste. Mein rechter Oberschenkel fing an zu krampfen seitlich
außen und ich versuchte beim Laufen immer mal wieder drauf zu klopfen,
aber es half nichts. Egal, immerhin siehst du dieses Jahr noch was, im
letzten Jahr hatte ich beim 27,5 km die Verpflegungsstelle verpasst und
bin halbblind in die Staffelwechselzone bei km 30 gelaufen, um mir was
zu trinken zu organisieren. An der Gruppe dranbleiben, die Beine laufen
noch, dachte ich. Mein Freund fuhr derweil wie der Henker auf dem Gehweg
neben mir her und brüllte irgendwas von … jetzt sind es nur noch 10km.
Wir liefen wieder auf die Amsterdamer Str. meinem persönlichen
Horror-Streckenabschnitt. Auf der einen Seite hinlaufen und auf der
anderen wieder zurück. Im Kopf fing ich an die Kilometer bis zum Ziel
rückwärts zu zählen noch 8 km. Nur noch 8 im Vergleich zu dem was hinter
mir liegt, ein Witz. Bei der nächsten Verpflegungsstelle dann Chaos bei
der Eigenverpflegung. Die Flaschen am Boden und kein Happy Meal zu
sehen. Egal, weiterlaufen. Mittlerweile krampfte auch mein anderer
Oberschenkel links außen und bei km 36 zog die 3h Gruppe langsam davon.
Als die Gruppe dann weg war dachte ich nur, scheiße, jetzt stehst du
alleine im Wind. Langsam lief ich weiter, ich kam mir vor wie eine
Schnecke, am Ebertplatz km 38 dann endlich ein Verpflegungsstand mit
„Happy Meal“ und ein paar bekannte Gesichter die mich anfeuerten. Noch
4km bis zum Ziel. Warum sind die Ringe so lang, die sind doch sonst
kürzer, Ok, meist bin ich mit dem Rad unterwegs aber sooooooo weit bis
zum Rudolfplatz. Es zog sich wie Kaugummi. Ein Clown begleitete mich ein
paar Meter und die Zuschauer riefen meinen Namen. Als ich die 40km Marke
passiert hatte blickte ich auf die Uhr: noch 8min bis 3h. Eigentlich
machbar, sprach das Hirn, wir wollen nicht, sprachen die Beine, es ist
keine Frau weit und breit da. Platzierung halten, sprach der Verstand.
Weiter ging es Richtung Neumarkt ein Läufer zog an mir vorbei und
sprach: „Komm mit, häng dich dran“ aber ich war platt. Am Neumarkt die
letzte Verpflegungsstelle, ein paar bekannte Gesichter und schwupps an
der Eigenverpflegung vorbeigelaufen noch mal ein paar Meter zurück
Flasche schnappen Wasser rein und den Rest übern Kopf. Die Hohe Straße
runter lief es dann wieder etwas besser und dann Zieleinlauf 3:02:50
Std. neue Bestzeit 19min schneller als im letzten Jahr.
Im Ziel bekam ich ein Bändchen umgehangen und ich hab ich mich erstmal
völlig erledigt hingelegt. Der Pacemaker der 3h Gruppe kam dann zu mir
und erkundigte sich wie es mir geht und ob ich den vierten Platz noch
gehalten habe. Ich hatte keine Ahnung, aber dann fiel der Blick auf den
Zettel den sie mir umgehängt hatten und dort stand 3. Siegerin drauf.
Ich war völlig überrascht, wollte zu meinem Verlobten laufen wir hatten
einen Treffpunkt ausgemacht. Doch dann kam er angehuscht, mein Schatten
(Dopingkontrolle). Nicht schon wieder dachte ich, ich habe doch keine
Zeit, ich will zu meinem Freund, Quarkbällchen essen, meinen
Kleiderbeutel abholen, Duschen, zur Massage und dann zu Björn Heuser in
die Lanxess Arena. Aber nein nix von alledem, erstmal kommen sie jetzt
zur Siegerehrung. Ähm ne, mir ist kalt ich bin pitschnass habe
literweise Wasser über meinen Kopf gegossen und möchte zu meinem Freund,
der da oben steht. Da durfte ich dann schnell hin und er durfte dann
auch zu mir reinkommen. Glücklicherweise hatte er noch eine Jacke und
Zipphose im Rucksack die ich erst im Startblock ausgezogen hatte und die
ich schnell über die nassen Sachen drüberziehen konnte.
Siegerehrung, so langsam realisierte ich, was da passierte.
Der Kölnmarathon war 2007 mein erster Skatemarathon. Seit Beginn meines
Studiums in Köln und dem Wechsel vom Rollkunstlauf zum Inlinespeedskaten,
war es ein großer Traum von mir einmal bei meinem Heimrennen auf dem
Siegerpodest zu stehen. Das war mir leider nicht vergönnt und seit 3
Jahren sind die Skater aus dem Programm rausgenommen.
Jetzt stand ich also da oben, am Ziel meiner Träume, als Speedskaterin
vom SSC Köln auf dem Podest beim Kölnmarathon. Ganz oben eine
Kenianerin. Beim Skaten stehen dort eher Kolumbianer, völlig verkehrte
Welt. Der Moderator war auch noch nicht ganz in der Spur. Machte aus der
Zweitplatzierten Leichtathletin eine Inlineskaterin, diese fand das gar
nicht witzig krabbelte auf allen Vieren auf das Podest und meinte das
die Dritte die Skaterin sei. Den Vogel schoss dann unsere
Oberbürgermeisterin ab, als sie sich erkundigte ob mein Aufenthalt in
Köln zu meiner Zufriedenheit verlaufen sei und es mir gefallen hätte.
Mit einem breiten Grinsen sagte ich, dass ich in Köln wohne und es mir
hier durchaus gefalle. Das Beste an der Comedyshow waren aber die
Preise. Es gab eine Finishermedaille und einen Strauß Blumen. Mein
Manager hatte es versäumt, im Vorfeld ein Preisgeld mit dem Veranstalter
auszuhandeln, für den Fall das ich auf das Siegerpodest laufe. Aber
vielleicht kommt ja doch noch was im Nachgang...
Nach der Siegerehrung fing dann Marathon 2.0 an. Man gewährte mir zwar
Zugang zum Topathletenzelt. Aber das einzige was es dort für mich zu
holen gab war eine Rettungsdecke zum Wärmen und eine Banane. Wasser gab
es auch, aber leider nur ohne Kohlensäure. Also ab zur offiziellen
Verpflegungsmeile, ich hatte mich so auf die Quarkbällchen gefreut und
es gab sie haufenweise, leider konnte ich mir nur im Vorbeigehen eins in
den Mund stopfen, denn ich musste ja weiter ins Hotel zu
Dopingkontrolle. Der Schatten an meiner Seite wollte auch keine Zeit
verlieren. Vermutlich ahnte ich es bereits, denn ich ging noch schnell
am Wasserstand vorbei und fragte, ob man mir 2 Flaschen Wasser mit
Kohlensäure mitgeben könnte, ich müsse zur Dopingkontrolle. Mitgeben
durfte man mir die Flaschen nicht, aber umfüllen in meine eigene, das
ging. Danach weitermarschieren zur Kleiderbeutelausgabe. In Köln sind
die Wege lang und ohne Skates noch länger und mit 42,195km in den Beinen
erst recht. Dort angekommen dann erstmal Ernüchterung: jetzt habe ich
zwar Beutel und Sachen, aber Duschen und Massage erst nach der
Dopingkontrolle. Und wieder zurück marsch marsch zum Friesenplatz ins
Hotel. Langsam hatte ich die Nase voll als ich dann auch noch vor einer
Wendeltreppe stand die in den Keller führte dachte ich ernsthaft, ich
spinne, aber nein runter marsch marsch, Aufzug gab es nicht. Ohne
Nahrung aber mit viel Wasser im Bauch war die Kontrolle um 15:45 Uhr
endlich abgeschlossen.
Für Dusche und Massage blieb jetzt auch keine Zeit mehr, denn wir
wollten endlich was Essen und um 18 Uhr zu „Kölle singt“ in die Lanxess
Arena. Beim Mitsingkonzert mit Björn Heuser fand der ereignisreiche Tag
dann gemeinsam mit Freunden und kölschen Liedern einen schönen Ausklang. |