|
|
Andreas Niedrig - Das Interview ĂĽber die Verfilmung seiner Person |
|
|
|
|
Andreas Niedrig
wurde am 12 . Oktober 1967
in Recklinghausen geboren und hat es aus eigener und durch die Kraft seiner
groĂźen Liebe Sabine geschafft, aus einem hoffnungslos vertanen Leben, ein
erfĂĽlltes zu machen.
1993 begann er mit dem
Hochleistungssport und machte seit seinem 17. Platz beim Ironman Hawaii 1997
auch international Furore.
Er wurde einer der
erfolgreichsten deutschen Triathleten. Nach einer lang anhaltenden schweren
Verletzung hat sich Andreas Niedrig mit seiner Teilnahme am Rother Ironman, dem
Quelle Challenge 2006, offiziell vom Leistungssport verabschiedet.
2007 hat er sich mit dem Gewinn
der Deutschen Meisterschaft beim Quelle Challenge in seiner Altersklasse zur
Ăśberraschung aller zurĂĽckgemeldet.
Der gelernte
Orthopädiemechaniker hält heute Vorträge rund um das Thema Zielsetzung. Mit dem
Prinzip „Zukunft“ zeigt er anschaulich, wie man selbst in schwierigen
Lebenssituationen sein Leben aus eigener Kraft verändern kann.
Er lebt mit seiner Frau Sabine,
mit der er seit 1988 verheiratet ist, und seinen beiden Kindern im Ruhrgebiet.
Seine persönliche Bestzeit beim
Ironman: 8 Stunden, 3 Minuten und 54 Sekunden
Wie ist es ĂĽberhaupt zu diesem Film gekommen?
Meine Lebensgeschichte Vom
Junkie zum Ironman erschien 2000 zum ersten Mal. Ich wollte nicht allen Leuten
meine Geschichte erzählen, das Buch ist viel mehr aus der Not entstanden: Ich
bin in meinem Sport relativ schnell an die Spitze gestoĂźen und habe fast sieben
Jahre zu den besten Triathleten der Welt gehört. Ich habe einen Weltrekord
gebrochen, war Vizeweltmeister. Und mit den Erfolgen kamen die Medien und haben
sich gefragt, woher ein so alter Kerl plötzlich, quasi aus dem Nichts, kommt.
Der muss doch eine Vorgeschichte haben.
Ich komme aus einer kleinen
Stadt mit 30.000 Einwohnern. Und einige von der schreibenden Presse dort kannten
mich aus der Jugendzeit. Niemand wollte noch mal mit der Vergangenheit
konfrontiert werden, meine Frau nicht, ich nicht, und wir hatten zu dem
Zeitpunkt eine 13 -jährige Tochter, die von der Vergangenheit nichts wusste.
Bald gab es Überschriften wie „Vom Kettenraucher zum Ironman“ und nach meinem 7.
Platz in Hawaii wurde geschrieben: „Hollywood hätte die Story niemals besser
schreiben können!“ Da wusste ich, dass da irgendwann mal stehen wird „Vom Junkie
zum Ironman“. Da sagten wir uns, wir schreiben lieber selber, bevor über uns
geschrieben wird.
Das Buch, das Jörg
Schmitt-Kilian geschrieben hat, war ein riesiger Renner. Als es auf den Markt
kam, haben sich alle Medien, vom Stern bis zum Spiegel, auf mich gestĂĽrzt. Ich
wurde in TV-Sendungen eingeladen. Das fand ich erst hochinteressant, weil ich ja
primär Sportler war und plötzlich im Mittelpunkt ganz anderer Interessen stand.
Ich fand das ganz toll. Ich habe aber nicht gemerkt, was da wirklich so passiert
ist: Ich bin nicht mehr der Sportler, sondern der Vorzeigejunkie der Nation
geworden.
Ich habe in der Zeit alle meine
Sponsoren verloren, aber drei Filmproduzenten wollten mit ganz konkreten
Angeboten meine Lebensgeschichte kaufen. Ich habe schnell begriffen und gesagt
„Das will ich nicht. Ich gebe meine Lebensgeschichte nicht einfach aus der
Hand“, weil ich ja schon erlebt habe, was nach dem Buch passiert ist, und mir
gar nicht vorstellen wollte, was nach einem Film passieren wĂĽrde. Ich habe sogar
das Buch vom Markt genommen, weil ich den Medienhype nicht mehr haben wollte.
Und meine Sponsoren habe ich verloren, weil die sich mit der Geschichte nicht
identifizieren konnten und ich es nicht geschafft habe zu vermitteln, dass ich
ja kein Junkie mehr bin, ja im Gegenteil: ganz weit weg davon.
2003, als die ganze Geschichte
wieder verebbt war, hat mich Fritjof Hohagen angerufen. Der war ein ganz offener
Typ, der mich erst mal kennen lernen wollte, ohne gleich die Rechte zu wollen.
Ich habe ihn einfach gebeten, bei mir vorbei zu kommen. Er hat mir von seiner
Vision und ich habe ihm von meiner Vision erzählt: Durch die Veröffentlichung
meiner Lebensgeschichte habe ich begriffen, dass man viel mehr machen kann als
einfach nur ein Buch zu schreiben und damit ins Fernsehen zu gehen. Ich habe
begriffen, dass man Menschen erreichen kann. Nicht nur, weil ich die Geschichte
erzähle, sondern weil ich erzähle, wie schwer es war, herauszukommen, und wie
schwer es war, wieder in die normale Gesellschaft zurĂĽckfinden.
„Leute, wenn ihr ein Ziel
erreichen wollt, dann entwickelt eine Leidenschaft dafĂĽr, dann wird es keine
Quälerei sein, weil ihr nicht das Gefühl habt, dass ihr etwas aufgeben müsst, um
etwas zu erreichen. Ihr gewinnt ganz viel dazu!“ Mittlerweile habe ich drei
bundesweite Projekte entwickelt, in denen ich wachzurütteln versuche: „Hey
Leute, hebt euren Hintern, ihr habt euer Leben selbst in der Hand!“
Fritjof Hohagen hat sich also
meine Träume angehört und ich mir seine. Und er hat mir versprochen: „Du wirst
immer Mitspracherecht haben.“ So ist das Projekt gewachsen, er hat immer mit
offenen Karten gespielt und ist einfach an mir drangeblieben und hat mich nie
als den Superhelden, als Rocky verkauft, denn das bin ich nicht. Das hätte mich
unnahbar gemacht, hätte mich total verbogen. Dann kam Adnan Köse mit ins Boot.
Das ist auch so ein ganz verrĂĽckter Typ, den man wahnsinnig begeistern kann.
Adnan hat sich so unglaublich reingekniet und mit so viel Herzblut daran
gearbeitet. Er war immer wieder hier bei mir und bei meiner Familie. Ich war bei
ihm in Dinslaken – und dabei ist wesentlich mehr entstanden als einfach so eine
Zusammenarbeit.
Wie ist der Film persönlich bei Ihnen angekommen?
Mit sehr gemischten GefĂĽhlen.
Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, konnte ich ihn gar nicht so recht
beurteilen. Ich habe ja gewusst, dass mein Leben nicht so 1:1 darzustellen ist.
Das funktioniert ja nicht. Trotzdem erzählt der Film in keiner einzigen Sequenz
die Unwahrheit. Alles ist wahr, aber mit filmischen Mitteln anders komponiert.
Für mich entspricht der Film der Realität, also der Wahrheit. Gerade die Zeit
mit meinen Freunden finde ich extrem gut getroffen – beim Rohschnitt schon war
ich einfach schockiert und hatte Angst vor der Reaktion der Menschen, wenn sie
mich so sehen.
Dann gab es noch eine Abnahme
des Films, bei der auch meine Frau dabei war. Ich war ja schon vorbereitet und
nur gespannt auf ihre Reaktion. Und bei ihr war es wie bei mir. Sie wurde in die
Vergangenheit zurĂĽckgeholt und hat nach der Vorstellung geweint, weil all die
Erinnerungen wieder in ihr hochgekommen sind. Meine Frau hatte ja die schwerste
Zeit, während ich drauf war und von allem nichts mitgekriegt habe, und wollte
mir helfen und ist immer nur gegen die Wand gerannt. Und dann hatten wir eine
große Vorstellung in Nürnberg mit meinem Sponsor und über 100 Geschäftsleuten,
eine Art Vorpremiere: Das war einfach nur genial, wie die Leute auf den Film
reagiert haben.
Hätten Sie das alles geschafft ohne Ihre Frau?
Nein. Ich bin sehr viel an
Therapieplätzen unterwegs und habe dabei festgestellt, dass die Rückfallquoten
nicht allein deshalb so hoch sind, weil es so schwer ist von der Droge
wegzukommen, sondern weil sich die Abhängigen durch ihre Abhängigkeit jeden
sozialen Halt zerstört haben. Wenn ich mir vorstelle, was ich damals alles
gemacht habe, dass da ĂĽberhaupt noch jemand zu mir gehalten hat, dann ist das
unglaublich und ich bin mir nicht sicher, ob ich es ohne sie geschafft hätte.
Die meisten kommen nach der Therapie nach Hause und fallen genau in das Loch
hinein, das sie verlassen haben. Ich hatte das GlĂĽck nach Hause zu kommen und
jemanden zu haben, der mich auffing, nicht Dankbarkeit und Reue erwartete,
sondern einfach sagte: „Jetzt fangen wir neu an.“ Aber irgendwann muss man dann
auf eigenen Beinen stehen.
Sicher sind Sie schon oft mit der Ansage konfrontiert worden, dass Sie
eine Sucht gegen eine andere, nämlich den Sport eingetauscht haben?
Das könnte man vielleicht
denken. Aber das ist nicht so. Wenn sie mit etwas aufhören wollen, werden sie es
nie schaffen, wenn sie sagen „So jetzt muss ich aber aufhören“. Sie müssen eine
Leidenschaft fĂĽr etwas anderes empfinden, um nicht das GefĂĽhl zu bekommen, dass
sie einen Verlust haben, weil sie jetzt aufhören, zum Beispiel mit der
Zigarette. Dass sie nicht irgendwann mal da sitzen und sagen „Jetzt fehlt mir
aber die Zigarette“. Sie müssen etwas anderes finden und es austauschen, um dann
zu sagen „Ich habe etwas anderes, was viel schöner ist.“ Man kann den Sport
ĂĽberhaupt nicht mit der Droge vergleichen, denn bei der Droge, bei der
Abhängigkeit, da bin ich, – das habe ich in der Therapie über mich selbst
erfahren – ganz klar vor meinen Problemen und vor meinen Gefühlen weggelaufen.
Ich habe es einfach nicht hingekriegt, meine GefĂĽhle und meine BedĂĽrfnisse
auszudrücken – meine Bedürfnisse nach Liebe, nach Zuneigung, nach dem Gefühl
‚Ich möchte nicht alleine sein, helft mir doch‘. Beim Sport ist es etwas ganz
anderes, beim Sport bewegst du dich auf etwas zu. Ich bewege mich zum Ziel hin.
Und jedes GefĂĽhl, was ich durch einen Zieleinlauf bekommen habe, kann ich heute
jederzeit abrufen. In jedem Seminar, wenn ich vor 500, manchmal vor 1.000
Menschen spreche, bin ich unsicher. Dann denke ich an einen meiner Zieleinläufe
und schaue mir die Menschen an, die mir zuhören, die sicher auch viele ungelebte
Träume und Ziele haben, sich aber bis heute vielleicht nicht getraut haben, die
Ziele auch zu leben. Das macht mich in diesem Moment unglaublich stark und
selbstbewusst.
Wenn ich mir in diesem Moment
der Unsicherheit sagen würde, ach war das geil damals, Heroin zu drücken, hätte
ich sicherlich kein so positives GefĂĽhl. Damals war das natĂĽrlich anders, als
wir angefangen haben zu konsumieren – das war schon ein geiles Lebensgefühl. Ich
glaube, das vermittelt der Film auch ganz gut. Wir sind im Film auch viel mehr
an die Menschen herangegangen, die mein Leben begleitet haben. Das habe ich in
meinem Buch nicht so gemacht, das war mehr die Erzählung meines Lebens aus
meiner Sichtweise.
Als ich aus der Therapie kam,
habe ich ja nicht direkt angefangen Sport zu treiben, das kam erst sehr, sehr
viel später. Als ich aus der Therapie kam, hatte ich noch vier Jahre Knast
offen, weil ich die Therapie ja abgebrochen hatte und dann das Riesenproblem,
eine Staatsanwältin davon zu überzeugen, dass sie mich nicht in den Knast
steckt. Ich musste alle Menschen immer wieder davon ĂĽberzeugen, mir eine Chance
zu geben. Ich hatte ja nichts vorzuweisen: 9. Klasse Hauptschulabschluss, eine
Therapie, die ich abgebrochen habe, zig Ausbildungen, die ich abgebrochen habe,
Handelsschule, abgebrochen – und die vier Jahre Knast offen. Wenn Sie sich so
irgendwo vorstellen, haben Sie keine Chance, selbst den letzten Hilfsarbeiterjob
kriegen Sie nicht. Ich musste einfach lernen und versuchen, die Menschen so von
mir zu überzeugen, dass die begreifen, dass ich tatsächlich will. Dann kam
irgendwann der Sport, da war ich schon vier Jahre aus der Therapie, hatte meinen
Schulabschluss nachgeholt und die Ausbildung zum Orthopädiemechaniker
abgeschlossen. Da habe ich gemerkt, dass ich ganz intensiv mich und meinen
Körper wieder spürte. Was jahrelang nicht der Fall war, weil ich sehr verkopft
unterwegs gewesen bin, um wieder klarzukommen. Alles, was man jahrelang nicht
gebraucht zu haben schien, die Lungen, die Muskeln – alles spürt man so
intensiv, dass man sich sagt, dass man daraus noch sehr viel mehr machen kann.
Dann fing ich also an zu laufen.
Ich finde es gut, wie in dem
Film das schöne Gefühl dargestellt wird, wenn die Bilder wiederkommen, die
Flashbacks von dem, was man damals alles so gemacht und erlebt hat. Ich glaube
mein erstes Leben macht mich heute stark, weil ich weiĂź, dass nichts Schlimmeres
kommen kann als das, was ich schon erlebt habe.
Was haben Sie heute für ein Verhältnis zu Ihren Eltern, die ja einiges
mitgemacht haben mit Ihnen?
Ich glaube, die Situation
meiner Eltern ist in dem Film sehr gut dargestellt. Mein Vater war als Polizist
ein ‚harter Knochen‘ – die Geschichte, die im Film erzählt wird, von dem
Terroristen, den er damals im Kino festgenommen hat, diese Geschichte stimmt
tatsächlich. Aber es war einfach so, dass mein Vater und ich es nicht
hinbekommen haben, uns mitzuteilen – weder in der Zeit, als ich abhängig war,
noch kurz danach, so bedĂĽrftig wir auch waren. Wir haben immer nur gegeneinander
gekämpft. Und das glaube ich, sagt der Film auch aus. Heute ist die Beziehung zu
meinen Eltern sehr gut. Sie war ja auch nie richtig schlecht, aber wir haben
damals halt nie eine gemeinsame Sprache gefunden. Und heute sitzen wir zusammen
und alles ist gut. Im letzten Jahr sind wir in Berlin zusammen Marathon
gelaufen, mit meiner Schwester. Mein Vater ist jetzt in Pension, meine Eltern
sind sehr sportlich und unternehmungslustig und kommen uns regelmäßig besuchen.
Wir haben ein ganz normales Familienleben. Genau so schön spießig, wie man
sich das nur vorstellen kann.
Wie war Ihre Begegnung mit Max Riemelt und den anderen Schauspielern?
Es war ja lange die Frage, wer
die Rolle spielen soll, der Favorit meiner Frau war immer Max Riemelt, wir haben
uns gemeinsam Napola angeschaut und fanden ihn wirklich genial. Und es ist dann
tatsächlich so gekommen. Wir haben uns kennen gelernt und sind auf Lanzarote
auch mal zusammen gelaufen, und ich hatte mir vorgenommen, ihn mal ein bisschen
platt zu machen. Aber der ist tatsächlich eine Stunde gelaufen und das verdammt
flott, das muss man erst mal durchhalten, der Typ ist richtig fit. Max ist
fantastisch. Nicht nur, wie er die Rolle gespielt hat, ich schätze ihn auch als
Menschen. Ich habe ihn als jemanden kennen gelernt, der das Leben stark
hinterfragt und sich nicht nur einfach als toller Schauspieler fĂĽhlt. Er steht
voll im Leben, ist nicht abgehoben – einfach ein toller Typ. Genau so begeistert
bin ich von Jasmin Schwiers. Die haben einfach super zusammen gepasst, die
beiden. Alle waren richtig toll; ob das der Udo Schenk war, der Ingo Naujoks,
die Leslie Malton Â… Ich glaube, dass einfach alle das Drehbuch richtig gut
gefunden haben.
__________________________________
Autor und Copyright: Mit freundlicher UnterstĂĽtzung: aim - CREATIVE STRATEGIES & VISIONS
|
|