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Heidelberger Ringvorlesung "Doping": eine Bilanz |
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Prof. Dr.
Treutlein |
Heidelberger Ringvorlesung zum
Doping ist beendet: Auf dem Weg zur Integration von Theorie zur Praxis -
Vergangenheit und Gegenwart bearbeiten, die Zukunft planen
Mit der Vorlesung von Prof. Dr. Wolfgang Knörzer (PH Heidelberg) ging die
Veranstaltungsreihe des Sommersemesters 2008 von Universität und Pädagogischer
Hochschule Heidelberg zu Ende. Der Anspruch dieser Veranstaltung erstreckte sich
auf die historische und soziologische Bearbeitung des Dopingthemas aus
interdisziplinärer, sozialwissenschaftlicher Sicht, als Grundlage für die
Förderung von Dopingprävention im Sport.
Im Verlauf des Semesters
kristallisierten sich in der durch Prof. Dr. Rüdiger Heim (Universität
Heidelberg) und Prof. Dr. Gerhard Treutlein (Pädagogische Hochschule Heidelberg)
geleiteten Veranstaltung durch die Beiträge von Hölz (NADA), Franke (DKFZ
Heidelberg), Bette (TU Darmstadt), Rössner (Universität Marburg), Lehner
(Heidelberg), Digel (Universität Tübingen), Geipel (FH Berlin), Ludwig ("Der
Spiegel"), Pabst (PWC) folgende Grundzüge heraus:
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Die Grundlagen und die Bereitschaft zum aktiven Angehen der
Dopingprävention sind nicht ausreichend. |
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Problembewusstsein ist sowohl im organisierten Sport als auch in der
Gesellschaft nur in geringem Umfang vorhanden und vorwiegend
skandalorientiert. |
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Dieses Zentralthema des Leistungssports findet bisher kaum akademische
Aufmerksamkeit und Berücksichtigung in Lehre und Forschung. Die wenigen
Wissenschaftler und Leistungssportfreunde, die sich intensiv mit dem
Thema beschäftigen, treffen häufig auf erhebliche Widerstände. |
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Doping wird es geben, so lange der Leistungssport in der heutigen Form
existiert. Insofern kann es keine Problemlösung, sondern nur eine
Problembearbeitung geben, verbunden mit der Hoffnung auf ein Bremsen
oder Verringern des Problems. |
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Sensibilität für die Problemstellung ist bei Kindern und Jugendlichen im
Sport weiter entwickelt als bei Erwachsenen. |
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Prävention in Form von Repression bringt nur kurzfristige
Verbesserungen. Nur Dopingprävention eröffnet eine Aussicht auf eine
bessere Zukunft. |
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Präventionsfundierende und -begleitende intensive Forschung wäre
dringend nötig. |
Moderne Präventionsansätze fordern
das Zusammenspiel aller mit dem Leistungssport befassten Ebenen (Bette, Knörzer,
Treutlein). Das Ansetzen nur am Individuum (Verhaltenprävention) ist kaum Erfolg
versprechend (Bette). Eine alle Ebenen umfassende Verhältnisprävention
(Sportlerumfeld, Verein, Verband, Sportpolitik, internationale Gremien wie IOC,
UNESCO oder UN) wird leichter möglich, wenn entsprechende gesetzliche Regelungen
und internationale Vereinbarungen (Rössner, Lehner, Digel) vorliegen. Letztlich
entscheidend sind aber der politische und sportpolitische Wille, sauberen
Leistungssport als Kulturgut zu erhalten und ihn vor Selbstzerstörungstendenzen
zu schützen (Bette, Digel). Es geht um die Frage, wie viel Optimierungswahn und
übertriebene Erfolgsorientierung die Gesellschaft (Geipel) aushält, bzw. ob man
die Qualität einer Gesellschaft über Medaillen und Rekorde nachweisen kann, wie
es in der DDR versucht wurde.
Wegen bisher nur geringer
finanzieller, personeller und struktureller Voraussetzungen und wenig
entwickeltem Problembewusstsein erfordert das Angehen der Prävention von
Medikamentenmissbrauch und Doping erheblichen Mut und Risikobereitschaft.
Hoffnung kann nur aus dem Bild des Zusammensetzens eines Mosaiks (ein Steinchen
nach dem anderen, in der Hoffnung, dass daraus in der Zukunft ein Gesamtbild
entstehen möge) und im Bewusstsein des Mythos des Sysiphus (intensive Arbeit
ohne die Aussicht, je ans Ende kommen zu können) bestehen. Das Nahziel besteht
in der Durchführung von Maßnahmen wie der Kampagne der Nationalen
Antidoping-Agentur (NADA) bei den Eliteschulen des Sports oder der Produktion
von Präventionsmaterialien und der Zusammenarbeit der deutschen Sportjugend (dsj)
mit Partnern. Das Fernziel sollte in einer kompetenzorientierten
Gesundheitsförderung bestehen (Knörzer/Amler/Bernatzky). Auf eine spezielle
Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping kann bei erfolgreicher
Durchführung des Ansatzes der Lebenskompetenzen und des Settingansatzes
möglicherweise sogar verzichtet werden.
Im Sinne moderner
Präventionsansätze muss Doping als Teilthema wesentlich weitergehender Themen
(Medikamentenmissbauch, Alltagsdoping, gesunde Lebensführung) verstanden werden.
Auf einer horizontalen Ebene geht es um die positive Beeinflussung der
Lebenswelt (der Settings) der Sportlerinnen und Sportler, auf einer vertikalen
um die Beeinflussung der strukturelle Zwänge erzeugenden Ebenen. Erst wenn alle
Ebenen zusammenspielen, ist Nachhaltigkeit wahrscheinlich.
Prävention kann sowohl eine
Krankheit (Doping als Krankheit des Spitzensports) vermeiden als auch die
Gesundheit (die Individuen und die Systembedingungen betreffende) stärken
wollen. Bei der ersten Ausrichtung stehen Aufklärung, Abschreckung und
Repression im Mittelpunkt, bei der zweiten die Entwicklung von
Lebenskompetenzen. Beide Ausrichtungen sollten miteinander kombiniert werden.
Zunächst sollte die Entwicklung von Lebenskompetenzen im Mittelpunkt stehen; mit
fortschreitender Leistungssportkarriere sollten dann Aufklärung, Abschreckung
und Repression hinzu kommen. Eine unterstützende Rolle können Staat, Medien,
Sponsoren und Zuschauer spielen, indem sie Erwartungen an einen sauberen Sport
deutlich formulieren und Erwartungsdruck aufbauen - der Sport muss den Anspruch
haben, besser als die Gesellschaft zu sein, sonst verliert er nicht nur seine
Glaubwürdigkeit, sondern auch die Möglichkeit der Förderung aus Steuergeldern.
Da die Schule Kinder und
Jugendliche am umfassendsten erreicht, sollten Gesundheitsförderung und auch die
Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping in den Kanon der Schule und
damit auch in das Lehramtsstudium ebenso wie in die Übungsleiter- und
Traineraus- und Weiterbildung gehören (Knörzer). Denn nur so besteht die Chance,
alle Bereiche von Alltagsdoping, Medikamentenmissbrauch und Doping umfassend
abzudecken.
Bei der Entwicklung von
Lebenskompetenzen müssen vier wesentliche Kompetenzbereiche (Knörzer) entwickelt
werden: Zielorientierung, Ressourcenaktivierung, Konzentration (als zentrale
Ressource), Angst- und Stressresistenz; sie sollen Jugendliche davor schützen,
in Drucksituationen zu versagen und Versuchungen zu erliegen. Die
Kompetenzbereiche sind das notwendige Handwerkszeug; für die richtige
Orientierung muss eine ethisch-moralische Fundierung hinzukommen.
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Autor und Copyright: Dr. Michael Schwarz
Foto: Laufen-in-Koeln
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