Aus
allen Richtungen der Stadt kommen sie geströmt. Rund
26.500 mögen es sein. Die Statistiker werden die
Menschenmassen später genau beschreiben können. 56.7%
Japaner, 21.8% Einheimische und 17.7 vom großen Festland
der USA. Die restlichen 4.4% stellen den Anteil aus
anderen Nationen. Zu noch nachtschlafender Zeit, es ist
noch nicht 5 Uhr, versammeln sie sich auf dem Ala Moana
Boulevard am Ala Moana Beach Park. Müde ist jedoch
keiner mehr von ihnen, viel zu groß ist die Aufregung
vor dem anstehenden Ereignis. Eher ist nun ein
kollektives Fitnessprogramm gefragt. Und so hüpfen,
springen und dehnen sie sich zum Takt der Animatöre.
Gemeinschaft wird groß geschrieben und sichtbar nach
außen getragen. Die zahlreichen Grüppchen demonstrieren
ihre Stärke durch leuchtend, bunte Fahnen. Doch eines
verbindet sie zu einer großen Gemeinschaft. Nämlich die
Teilnahme zum 30. Honolulu-Marathon auf O'ahu. Ein
Jubiläumslauf, der alle Rekorde brechen sollte.
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Zeitangaben auf großen Schildern sollen als
Platzierungshilfe dienen. Doch dies ist Nebensache.
Gemeinsam stehen sie nebeneinander. Profis und
untrainierte Erstläufer. Von der ersten Reihe bis weit
ganz nach hinten der Menschenschlange.
Gegen 5:00 Uhr hat das Warten ein Ende. Ein Startschuss,
gefolgt von einem grosartigen Feuerwerk setzt sich die
ungeduldige Schar in Bewegung. Alles rennt los. Doch
kein Chaos bricht aus. Zügig und diszipliniert
überschreiten sie die Startlinie. Von Anfang an bis Ende
findet jeder Teilnehmer genügend Platz und Freiraum, um
sein eigenes Tempo zu finden. Ein erhebendes Gefühl, in
der Dunkelheit der Nacht, mitten im Paradies mit dabei
zu sein.
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Mutter mit ihren 2 Kindern. Noch 2km, dann sind
auch sie im Ziel. |
Trotz noch annehmbarer Nachttemperaturen, kann die
Schwüle nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Marathon
kein Kinderspiel werden wird. Auch in Hinsicht auf das
wellige Profil ist eher ein strategisches Vorgehen
empfehlenswert. Doch das beherzigen nur die Wenigsten.
Die Meisten entpuppen sich schnell als Debütanten,
nachdem ihnen als Sprinter nach wenigen km die Puste
ausgeht. Die ersten Gehpausen werden eingeleitet.
Während die gut trainierten und erfahrenen
Marathonläufer zügig an Strecke gewinnen, zieht sich das
Läuferfeld immer mehr in die Länge. Hektik kommt jedoch
nicht auf. Im Gegenteil. Immer mehr macht sich eine
gewisse Gelassenheit breit, die sich in Richtung Ende zu
verstärken scheint. Dies betrifft insbesondere den
Teilnehmerkreis, die die Strecke als Walker oder Geher
zurücklegen werden. Eine Sollzeit von 9 Stunden gibt
ihnen die Berechtigung zu der langsamen Fortbewegung.
Man könnte die Volksbewegung durchaus als Wanderspaß für
die ganze Familie bezeichnen. Denn nicht nur ältere
Teilnehmer haben den Kampf gegen die Marathondistanz
aufgenommen, sondern auch Kinder. Während in anderen
Ländern Gesundheitszeugnisse oder sonstige Auflagen die
Teilnahmebedingungen bestimmen, spielt hier das Alter
und das körperliche Befinden eine untergeordnete Rolle.
Der spätere, positive Ausgang des Marathon lässt die mit
Sicherheit berechtigten Bedenken jedoch schnell
verblassen.
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Während nach einer Zeit von 2:12 Stunden die ersten
Finisher die Ziellinie überschritten haben, stellen sich
bei km 15 die ersten Ermüdungserscheinungen der
untrainierten Erstläufer ein. Der Tag ist lang und
irgendwie wird man schon ankommen. Und da man ja noch
von zahlreichen anderen Teilnehmern umgeben ist, fällt
es gar nicht auf, das sich das Teilnehmerfeld
kontinuierlich mehr und mehr in die Länge zieht. Eine
endlos erscheinende Karawane besiedelt die
Marathonstrecke. Und gemeinsam verfolgen sie ein Ziel,
nämlich erfolgreich die Ziellinie zu überschreiten. Egal
nach welcher Zeit. Und das Tolle hierbei ist, das jeder
Teilnehmer, egal an welcher Position des Läuferfeldes er
sich befindet, als Held gewertet wird. Als
ambitionierter Marathonläufer mag man mit Sicherheit
darüber schmunzeln und sich fragen, was die da
eigentlich 9 Stunden lang machen. Witze wie "legen die
zwischenzeitlich ein Picknick ein?", oder, "gehen die
zwischendurch im Meer baden?", sorgen für Gesprächsstoff
der schnellen Teilnehmer. Doch wer mit offenen Augen die
Strecke entlang läuft, muss zugeben, die Atmosphäre und
die Einzigartigkeit der einmaligen Umgebung sind viel zu
Schade, um sie schnellstmöglich vergehen zu lassen.
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Mitten im
Paradies, mit Blick auf's Meer führt die
Strecke auch an zahlreichen Badestränden
vorbei. |
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Aufgemuntert und motiviert werden die Läufer durch
zahlreiche Bands am Straßenrand, sowie mehrere
Cheerleadergruppen und den Ordnungshütern. Sie alle
haben eine gemeinsame Message für die Teilnehmer "good
job, you can do it". Eine Motivation, die besonders am
Diamond Head motiviert, denn hier befindet sich der
größte Aufstieg. Für trainierte Läufer ein gewohnter
Hügel, für den ungeübten Anfänger jedoch eine
herausfordernder Gebirgsaufstieg. Doch anfeuernde
Hilfskräfte am Straßenrand des Aufstieges stehen den
eisernen Kämpfern zu Seite. Mit aufmunternden Zurufen
hieven sie auch den noch so untauglichsten Läufer über
die vielleicht 25m hohe, aber stetig ansteigende
Erhöhung.
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Zahlreiche Versorgungsstellen laden zu einer
willkommenen, kurzweiligen Pause ein. Gekühlte Getränke
lindern den Durst. Einige sind sogar mit Eiswürfeln
heruntergekühlt. Mit Wasser gefüllte Becher müssen für
eine kleine Dusche herhalten. Schwämme werden gereicht
und dankend entgegen genommen. Das Tropenklima fordert
alles von den Teilnehmern. Doch das Wetter meint es
dieses Jahr gut mit ihnen. Leichte Winde kühlen etwas
und die Wolken halten die erbarmungslosen, wärmenden
Sonnenstrahlen in den Morgenstunden noch etwas zurück.
Doch trotz allem, die hohe Luftfeuchtigkeit und die
Wärme laden nicht gerade zu Bestzeiten ein. Eine
Tatsache, die die Teilnehmer eher zu einem lockeren
Laufstiel zwingen.
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Mittlerweile sind 6 Stunden vergangen. Wo in Deutschland
ein Marathon sein Ende findet, ist in Honolulu zeitlich
gesehen noch lange nicht die Halbzeit erreicht. Um diese
Zeit haben gerade mal 58.78% der Gesamteinläufer den
Marathon erfolgreich beendet. Die Stunden vergehen und
die Läuferdichte scheint nicht abzunehmen. Selbst nach 7
und 8 Stunden ist ein reger Lauffluss Richtung Ziel zu
verzeichnen.
Die offizielle Sollzeit von 9 Stunden ist erreicht, doch
ein großer Anteil befindet sich immer noch auf der
Strecke. Die spätere Ergebnisliste weiß es ganz genau,
es waren mindestens noch 780 Laufbegeisterte. Die Beine
sind schwer, das anfängliche Lächeln verschwindet immer
mehr in den Gesichtern. Doch der größte Teil nimmt es
locker. Und somit zündet sich einer der müden Läufer
erstmal eine Zigarre an. Andere setzen sich auf die
Bordsteinkante und ruhen sich aus. Eine
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Zieleinlauf: In Massen strömen sie der Ziellinie
entgegen. Egal welche Zeit man gebraucht hat.
Viel wichtiger ist, man ist angekommen. |
kleine Gruppe von Damen zieht eine kurze
Dehn- und Stretchingpause vor. Andere hingegen verweilen
am Straßenrand und genießen den Blick aufs Meer. Und
wieder ist es der Dimond Head, der gerade die
schwächsten Teilnehmer kurz vor km 40 zur Verzweiflung
bringt. Völlig geschwächt und mit Muskelschmerzen
erklimmen sie den Aufstieg. Um so schlimmer ist der
folgende Abstieg, der sich gerade in den Oberschenkeln
bemerkbar macht. Aber was ein richtiger
Honolulu-Marathon Läufer ist, der denkt nicht ans
Aufgeben. Notfalls wird der Abstieg rückwärts gelaufen.
Und so vergehen Stunde um Stunde, bis schließlich nach
genau 14:23:49 Stunden der Letzte die Ziellinie
erreicht. Auf eine Siegerparty im Zielbereich dürfen die
Letztangekommenen jedoch nicht hoffen, denn nach der
offiziellen Sollzeit von 9 Stunden fangen die
Aufräumarbeiten an. Dennoch dürfen sie sich den
Glückwünschen und des Lobes ihrer Leistung sicher sein.
Eine Muschelkette, Medaille, sowie Finisher-Shirt weisen
sie als erfolgreiche Teilnehmer aus. Und genau das ist
es, was beim Honolulu-Marathon zählt. Nicht unbedingt
die Zeit, sondern, dass man erfolgreich teilgenommen
hat. Lediglich ein schleppender oder unrhytmischer Gang
könnte verrat, dass man nicht gerade zu dem kleinen
Kreis, der Elite im eigentlichen Sinne, gehört. |