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Dopingbekämpfung als gesellschaftspolitische Aufgabe |
Das Fazit von
DOSB-Leistungssportdirektor Ulf Tippelt nach der Anti-Doping-Veranstaltungen in
Nördlingen lautete: Es muss noch mehr getan werden im Kampf gegen
Doping-Missbrauch.
Wer bereits diverse Anti-Doping-Veranstaltungen besucht hat und somit Vergleiche
ziehen kann, dürfte das von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), dem
Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) und der Nationalen
Anti-Doping-Agentur (NADA) ausgerichteten Seminar „Dopingbekämpfung im Sport -
eine gesellschaftspolitische Aufgabe von internationaler Bedeutung“ zufrieden
verlassen haben. Drei Tage lang wurde in Nördlingen von einem guten Dutzend
hochkarätiger Fachleuten referiert sowie von rund 100 Teilnehmern kritisch
hinterfragt und auf hohem sachkundigem Niveau diskutiert.
Zu denen, die zufrieden ihre
Heimreise antraten, dürfte auch der Leistungssport-Direktor des Deutschen
Olympischen Sportbundes (DOSB), Ulf Tippelt, gehören. Er hatte den Besuch der
Anti-Doping-Veranstaltung höherwertig eingestuft als den Besuch des „Festes der
Begegnung“ in Mannheim. Gegenüber einem von der Wichtigkeit des
Anti-Doping-Kampfs außerordentlich überzeugten Plenums war es für Ulf Tippelt
jedoch nicht einfach, die Position sowie die Möglichkeiten des DOSB
darzustellen. Tippelt: „Wir sind uns einig, dass noch mehr getan werden muss im
Kampf gegen den Doping-Missbrauch.“ In diesem Zusammenhang verwies er auch auf
die begrenzten finanziellen Möglichkeiten: „Aber auch mit den vorhandenen
Mitteln können wir schon ziemlich engmaschig arbeiten.“
Kritische Generallinie gegen Festtagsreden
Das Plenum hatte schnell eine
kritische Generallinie entwickelt: „Was nützen alle Festtagsreden im
Anti-Doping-Kampf, wenn man nicht bereit ist, gravierende Änderungen am System
vorzunehmen.“ Franz-Josef Kemper, Olympiavierter 1972 über 800 Meter, Leiter der
Abteilung Sport und Ehrenamt im rheinland-pfälzischen Innenministerium und
Mitglieder der Arbeitsgruppe Prävention der NADA, wurde noch deutlicher. Er
sieht einen Widerspruch, wenn bei größten internationalen Wettbewerben von
deutschen Athleten bestimmte Medaillenbilanzen und Topplatzierungen im Ranking
erwartet werden, obwohl der Verdacht nicht von der Hand zu weisen sei, dass die
dopingfreien deutschen Sportler auf Konkurrenten treffen, in deren Ländern der
Anti-Doping-Kampf nicht mit gleicher Akribie betrieben werde. Kemper: „Wenn wir
das gesellschaftliche Ziel eines sauberen und fairen Sports formulieren, dann
müssen wir alle - Sport, Medien und die Geld gebende Wirtschaft - noch einmal
unsere Grundsatzposition gründlich überdenken.“
Eingeleitet hatte Lars Figuara
die dreitägige Veranstaltung mit seinem Referat „Doping: Zwischen Freiheitsrecht
und notwendigem Verbot“. So lautete auch die Dissertation des mehrmaligen
deutschen 400-Meter-Meisters zum Dr.jur. im Jahre 2008. Die Anwendung des
Strafrechts sieht Figura keineswegs als zwingend an, wenn der
Medikamentenmissbrauch konsequent sanktioniert werde. Aber er würde gerne den
Anti-Doping-Kämpfern einen besseren finanziellen Spielraum gewähren, in dem etwa
Erfolgsprämien an Sportler, wenn sie später der Manipulation überführt würden,
von den Athleten zum Zwecke des Anti-Doping-Kampfs zurückgezahlt werden müssten.
Athleten akzeptieren persönliche Einschränkungen
Christian Breuer, der
ehemalige Eisschnellläufer und aktuelle Athletensprecher, erläuterte nochmals,
welchen Kontrollmaßnahmen und auch persönlichen Einschränkungen sich
Spitzensportler unterwerfen müssen, wenn in ihrem Land Dopingvergehen
konsequenter verfolgt werden: „Aber die überwiegende Mehrheit der Sportler hat
die mit dem Anti-Doping-Kampf verbundenen Auflagen akzeptiert, weil sie es für
wichtig hält, dass Doping bekämpft wird. Nur mit den intensiven Kontrollen ist
die Vergleichbarkeit der Leistungen zu erreichen.“
Mario Thevis, Professor am
Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln und Sprecher des
Zentrums für präventive Dopingforschung im Kölner, vom Internationalen
Olympischen Komitee akkreditierten Doping-Labor, stellte die Entwicklungen der
Dopinganalytik vor; Helmut Pabst erläuterte die Praxis der Kontrollen vor Ort;
Anja Berninger, Justitiarin und kommissarische Geschäftsführerin der NADA sowie
David Müller als ihr Pendant bei der NADA in Österreich verglichen die
Entwicklungen nationaler Methoden der Dopingbekämpfung und -prävention.
Schließlich erklärte Prof. Horst Pagel aus Lübeck Sinn, Unsinn und Gefahren von
Nahrungsergänzungs- sowie Schmerzmitteln.
Auftritt geständiger Dopingsünder
Furios war dann das Finale
mit den des Dopings geständigen Radsportlern Robert Lechner, deutscher
Bronzemedaillengewinner 1988 in Seoul im 1000-Meter-Zeitfahren, Rolf Järmann aus
der Schweiz nach langjähriger EPO-Erfahrung, und dem Pfälzer Philip Schulz, der
nach seinem positiven Dopingbefund zum Kronzeugen geworden war. Lechner schlug
in Franz-Josef Kempers Kerbe: „Wenn das Doping-Problem nur personalisiert wird,
hilft uns das nicht weiter. Wir müssen das gesamte System überprüfen.“ Der
Schweizer Järmann erklärte, er habe kein Schuldgefühl, weil er überzeugt sei,
dass er in seiner Dopingphase keine Konkurrenten betrogen, sondern sich damals
nur dem Niveau der anderen angepasst habe. Auch er stellt letztlich die
Systemfrage: „Olympisch ist die Leichtathletik die überragende Sportart. Wenn
sie keine Vorbildrolle übernimmt und nicht sauber wird - und das kann sie nicht,
weil es dann 20 Jahre lang keine Weltrekorde mehr gibt, die allgemein erwartet
werden - dann wird auch der Radsport nicht sauber.“
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Autor und Copyright: Hanspeter Detmer für Laufen-in-Koeln
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