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Körperliche Aktivität schützt
die Nerven:
Bewegungsmuffel erkranken häufiger an Parkinson
Körperliche Aktivität ist gut für die Gesundheit, senkt das Risiko für
Schlaganfall und Demenz - kann aber noch viel mehr: Bewegung schützt vor der
Parkinson-Krankheit. Wissenschaftler des renommierten Karolinska Instituts in
Stockholm fanden heraus, dass tägliche moderate körperliche Aktivität das Risiko
für Parkinson verringert. Am deutlichsten ist dieser Effekt bei den Männern.
"Wir haben nun starke Gründe anzunehmen, dass körperliche Aktivität die
Wahrscheinlichkeit für eine Parkinsonerkrankung senkt - ähnlich wie das für die
Alzheimerkrankheit schon bekannt ist", erklärt Prof. Dr. Günther Deuschl von der
Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Morbus Parkinson zählt zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Im Gehirn sterben
nach und nach Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren - es kommt
zu einem Dopaminmangel in der im Mittelhirn gelegenen Substantia nigra, der
sogenannten schwarzen Substanz. Die Nervenzellen in diesem Areal enthalten
Melanin und sind dunkel gefärbt - daher der Name. Dopamin hat viele Aufgaben im
Gehirn - unter anderem ist der Neurotransmitter für reibungslose
Bewegungsabläufe zuständig. Wenn 50 bis 60 Prozent der Dopamin-produzierenden
Zellen abgestorben sind, machen sich die ersten Krankheitszeichen von Parkinson
bemerkbar. Die typischen Symptome sind Muskelzittern in Ruhephasen, verlangsamte
Bewegungen und Steifheit der Muskeln. Warum ein Mensch an Parkinson erkrankt und
der andere nicht, ist noch weitgehend unklar. Diskutiert werden erbliche
Faktoren und Umweltgifte, welche die Substantia nigra schädigen. Eine Prävention
gegen die neurodegenerative Erkrankung gibt es nicht.
Alltagsaktivitäten in Haushalt, Beruf und Freizeit
Das schwedische Forscherteam um Karin Wirdefeldt nahm nun den Zusammenhang
zwischen körperlicher Aktivität und dem Risiko, an Parkinson zu erkranken, in
einer Studie (1) genauer unter die Lupe. Sie werteten die Daten von mehr als
43.000 Schweden aus, die an einer großen Krebsvorbeugungsstudie teilnahmen.
Insgesamt wurden 27.863 Frauen und 15.505 Männer, die im Schnitt 50 Jahre alt
waren, von 1997 bis zum Ende des Jahres 2010 beobachtet. Keiner der Probanden
war zu Beginn der Studie an Parkinson erkrankt.
In einem 36-seitigen Fragebogen machten sie detaillierte Angaben zu ihren
körperlichen Aktivitäten: im Haushalt, auf dem Weg zur Arbeit, in Beruf und
Freizeit sowie zu ihrer täglichen Gesamtaktivität. Zusätzlich gaben sie Auskunft
darüber, wie körperlich aktiv sie in bestimmten Altersperioden gewesen waren.
Als Maß für die körperliche Aktivität dienten sogenannte Metabolische
Äquivalente (MET, Metabolic Equivalent of Task) in Stunden pro Tag. Die Basis
dafür war die Messung der körperlichen Belastung über den geschätzten
Sauerstoffverbrauch, der mit den verschiedenen Aktivitäten einhergeht.
Die MET-Punkte für Haushalt, Pendeln zum Job und Freizeitaktivität wurden als
"allgemeine körperliche Aktivität " summiert. Dann ermittelten die Forscher das
Risiko für eine Parkinsonerkrankung in Abhängigkeit von ihrer körperlichen
Aktivität. "Eine Stärke der Studie ist, dass wir damit das gesamte Spektrum des
täglichen Energieverbrauchs berücksichtigt haben, statt uns nur auf bestimmte
Bewegungsarten zu fokussieren", so die Forscher.
Sechs Stunden Bewegung pro Woche
reduziert das Parkinson-Risiko um bis zu 45 Prozent
Im Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 12,6 Jahren erkrankten 286 der
insgesamt 43.368 Studienteilnehmer an Parkinson laut nationalem schwedischen
Patientenregister - 158 davon waren Männer. Personen, die mehr als sechs Stunden
pro Woche im Haushalt und auf dem Weg zum Arbeitsplatz körperlich aktiv waren,
hatten ein 43 Prozent niedrigeres Risiko an Parkinson zu erkranken als
Probanden, die auf diese Aktivitäten weniger als zwei Stunden wöchentlich
verwendeten. Bei Männern sank das Risiko sogar um 45 Prozent. "Schon tägliche
moderate Bewegung im Alltag kann das Parkinsonrisiko deutlich senken",
schlussfolgern die schwedischen Forscher. Das Studienergebnis erhärtete sich,
als die Forscher zusätzlich bereits veröffentlichte prospektive Kohortenstudien
(2) analysierten. Auch hier zeigte es sich, dass moderate Bewegung das
Parkinsonrisiko bei Männern und Frauen senkt.
"Zusammen mit weiteren Studien, die in dieselbe Richtung weisen, ist dies der
Einstieg in eine wissenschaftlich abgesicherte Vorbeugung von neurodegenerativen
Erkrankungen - jenen Krankheiten, bei denen die Nervenzellen im Gehirn zugrunde
gehen", kommentiert Deuschl, Direktor der Klinik für Neurologie am
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Präsident der European
Academy of Neurology (EAN). "Bewegung in den Alltag zu integrieren, fällt
vermutlich den meisten Menschen leichter, als gezielt regelmäßig Sport zu
treiben, und könnte positive Langzeiteffekte für die Gesundheit haben. Die
Mechanismen für diese Wirkung sind noch nicht klar. Körperliche Bewegung hat
viele positive Effekte, darunter die Freisetzung von Wachstumsfaktoren,
verminderte Entzündungsaktivität, höhere Vitamin-D-Produktion", so der
Parkinson-Experte.
Parkinson tritt in der Regel in höherem Lebensalter auf. Die Diagnose wird meist
zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr gestellt. Es gibt allerdings auch jüngere
Parkinsonpatienten - etwa 10 Prozent sind bei der Diagnose noch keine 40 Jahre
alt. Bei den über 60-Jährigen erkrankt etwa einer von 100 Menschen an Morbus
Parkinson. Insgesamt wird die Zahl der betroffenen Patienten in Deutschland auf
240.000 bis 280.000 geschätzt. Nach der Alzheimer-Krankheit ist Parkinson damit
die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Männer erkranken etwas häufiger
als Frauen. Mit der steigenden Lebenserwartung wird die Anzahl der
Parkinsonpatienten in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Der Grund: die
steigende Lebenserwartung der Bevölkerung.
Quellen
1) Wirdefeldt, K. et al (2015).
Physical activity and risk of Parkinson's disease in the Swedish National March
Cohort. Brain: A Journal of Neurology 2015: 138; 269-275, DOI: 10.1093/brain/awu323
2) Xu Q, Park Y, Huang X, et
al. Physical activities and future risk of Parkinson disease. Neurology
2010;75(4):341-348.
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Autor und Copyright: Frank A. Miltner, Deutsche Gesellschaft für Neurologie
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