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Palermo-Marathon 2003: Unter Palmen laufen
 
 
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06.01.2004  

 
 

Ein Erlebnisbericht von Werner Winkhold-Gallina:

Bei den Startvorbereitungen auf dem Politeama Platz schimmert von Norden das Mittelmeer.

Das riesige Fährschiff zeigt uns seine geöffnete Ladeluke. Mit ihm kann man für EUR 45,- nach Tunis fahren, wie uns die Werbeplakate an jeder Ecke anpreisen. Überall ist die Nähe Nordafrikas zu spüren: Die arabischen Einwanderer kontrastieren mit ihrer Bekleidung, die Kebab- Imbisse ergänzen die sizilianische Pasta- und Pizza- Lokale, die Blumen und Sträucher wirken fremd und stehen jetzt am 7. Dezember immer noch in Blüte. Befremdlich wirken auf uns allerdings die weihnachtlich geschmückten Palmen auf Palermos Plätzen.

Mit gelassener Ruhe werden die etwa 4000 Teilnehmer des Marathons und des Halb-Marathons darauf vorbereitet, dass der Start nun doch erst um 8.30h erfolgt.

Italienische Leichtigkeit des Seins: Nicht nur dass eine Verschiebung des Starts kein Problem darzustellen scheint – nein – am Abend vorher zeigte sich ebenfalls schon eine besondere Art Probleme anzugehen.

Marion und Sven waren auch mit einem Billig-Flugticket nach Palermo gekommen. Ihrer Anmeldung waren sie allerdings nicht ganz sicher, da sie übers Internet erfolgte und nicht bestätigt wurde. Eine extra mail- Anfrage beim Organisator hatte mir selbst zwei Wochen  vor dem Termin eine gewisse Sicherheit vermittelt. Problemlos erhielt ich dementsprechend in einem größeren Partyzelt auf dem Politeama Platz meine Startunterlagen in einem

super-chicen  roten Rucksack mit Handytasche. Marion und Sven stehen vor größeren Herausforderungen.: Eigentlich waren sie in der Meldeliste nicht zu finden, aber man könnte es ja mal mit ähnlich klingenden Namen versuchen, die dann eigentlich nicht zum Erfolg führen, so dass man eigentlich nachträglich eine Anmeldung annehmen könnte, obwohl die Anmeldefrist schon vorbei ist, wozu man angesichts der weiten Anreise aus Deutschland bereit sei, wenn die beiden dass ärztliche Attest vorlegen könnten. Leider liegt das Attest zu Hause, so dass man eigentlich keine Anmeldung machen kann, was man dann schließlich doch macht, obwohl die Anmeldung eigentlich nicht stattgefunden haben kann. Herrlich!

 

Etwa 3000 Halb-Marathonläufer und 580 Maratoni kommen auf den ersten beiden leicht abfallenden Kilometern zur Piazza Vergogna (Quattro Canti) ohne viel Gedränge gut in die Gänge. Leicht steigend biegend wir dort in den Corso Vittorio Emanuele. Nach fünfhundert Metern schweift der Blick über die Piazza Cattedrale zum Dom in maurischen Stil. Nach diesem Eintritt in Palermos antiker Stube geht es Schlag auf  Schlag weiter: Während ich auf die Porta Nuova zulaufe, erkenne ich links die Spitzenläufer, die mir von der Piazza del Vittorio entgegenkommen. Noch sind die Abstände zwischen den Top-Athleten nicht besonders groß, da sie erst bei km 4 sind. Einer nach dem anderen taucht unter den Palmen auf und jagt mit höllischem Tempo den Corso runter. Ich muss noch 200 m berauf bis -nach Durchqueren der mächtigen Porta Nuova -die Umrundung des Palazzo di Normanni ansteht. Über eine stark steigende Rampe geht es hoch mitten durch den Vorhof der Cappella Palatina. Sie gehört zu den TOP 10 meines Reiseführers Sizilien. Das dies zutreffen muss, lässt sich schon durch die Pracht der Architektur erahnen.

Jetzt geht’s auch für mich raus unter die Palmen Palermos über die Piazza Parlamento und die Piazza della Vittoria. Der Schatten der Bäume ist hilfreich, weil die Sonne sich bei angenehmen 16° C zum ersten Mal sehen lässt und sofort eine erhebliche Strahlungswärme mit sich bringt. Im Verlauf des Rennens wird sie sich jedoch gnädig erweisen, weil sie nur hin und wieder eine Stippvisite geben wird. Vorsorglich hatte ich an Laufbekleidung für alle Wetterlagen gedacht, was sicher sinnvoll war.

Zurück am Quattro Canti geht es in einer neuen Schleife ein weiteres Stück auf eine der Haupteinkaufsstraßen, der Via Marqueda. Auch hier bei etwa acht Kilometern riskiere ich einen Blick auf die Spitzenläufer. Als ich die Schleife hinter mich gebracht habe, begegne ich Sven und später Marion. Wir haben wie viele Bekannte und Freunde die Chance, zu winken und einen kleinen aufmunternden Gruß zu rufen. Die Bevölkerung beginnt unterdessen den ersten Spaziergang durch die Einkaufsstraßen. Sie mustern uns freundlich aber von Begeisterung ist nun wirklich keine Spur. Teilweise scheint die Veranstaltung für viele Einheimische sogar zu einer nervtötenden Angelegenheit zu werden, weil viele Hauptverkehrsadern der Stadt zumindest zeitweilig gesperrt werden. Insbesondere in der ersten Runde ist dies schwierig, weil im Läuferstrom kaum eine Lücke frei bleibt.

Mit stoischer Geduld lassen die kommunalen Ordnungskräfte Hupkonzerte und Schimpfkanonaden über sich ergehen.

 

Die Lautsprecherdurchsagen zeigen an, dass wir bei 10 km wieder in den Start-Zielbereich kommen. Nicht nur auf Italienisch sondern auch auf Englisch und Deutsch werden wir willkommen geheißen und angefeuert. Das Teatro di Politeama wird umkurvt und auf der prachtvollen Platanenallee Viale della Liberta geht es schnurgerade nach Westen aus der Stadt hinaus. Die Glühlampen an den Bäumen werden abends den weihnachtlichen Glanz auch in diese edle Einkaufsstraße tragen.

Nach drei Kilometern taucht vor mir der Eingang zum Naturreservat des Monte Pellegrino auf. War die Strecke bisher wellig, so wird sie ab 15 km hügelig. Dafür sind wir jetzt im Grünen mit schönen Ausblicken auf die Bucht, die Stadt und die umgebenden Berge. Von Orangenhainen weht uns ein süßer Duft entgegen. Aleppokiefern und Bambus spenden uns abwechselnd Schatten. Irgendwo bellen die aufgeregten Hunde eines Tierheims. Wir schlängeln uns am Osthang des Monte Pellegrino immer höher. Der Geruch von Pferdedung zeigt uns die Nähe der Rennbahn an. Ich genieße die naturnahe Streckenführung und freue mich auf die leicht abfallenden drei Kilometer zum Politeama. Der immer noch blühende Oleander trennt den Mittelstreifen ab. Auf der anderen Alleenseite kommt mir eine starke Gruppe von Kenianern und Marokkanern entgegen. Auch die ersten Frauen kann ich auf ihrer zweiten Runde bewundern, als ich mich dem Ziel des Halbmarathons nähere. Wer hier aufhört wird irgendwie von Helfern nach rechts in den Zielkanal dirigiert. Es klappt wirklich die Gruppen zu trennen und so erkenne ich bald schon, dass die zweite Runde wesentlich einsamer wird.

Meine Befürchtung, dass eine Wiederholung langweilig werden könnte ist unbegründet. Immer wieder gibt es neue Eindrücke: Waren es vorher die flanierenden Frühaufsteher, so fallen mir jetzt die prachtvoll herausgeputzten Singhalesen auf, die vom Gottesdienst zurückkommen. So bleibt mir Zeit für eine kleine Gedankenreise unter die Palmen von Tamil Nadu in Südindien, wo ich vor Jahren die Einheimischen beim Osterfest beobachten konnte.

 

Mit einem Blick zur Seite bin ich zurück in Palermo. Jetzt fallen mir die vielen kleinen Spezialgeschäfte auf die meist auch am Sonntag geöffnet haben. Die Cafes wetteifern um die Gunst, den Sizilianern den ersten Espresso zu servieren. Ab 30 km wage ich immer wieder einen Blick zu den Eisdielen, wo ich schon am Vorabend einer köstlichen Versuchung in Sahne-Eis-Form erlegen war. Sicher werde ich mich nach dem Lauf damit belohnen.

Bei meiner vorletzten Passage des Politeama wird bereits der Sieger angekündigt. Man erwartet ihn in fünf Minuten. Ich freue mich, da ich zum zweiten Mal nach Rotterdam im Vorjahr die Entscheidung direkt verfolgen kann. Zwischen den Platanen derViale della Liberta erkenne ich in einer Entfernung von einem Kilometer die leuchtenden Scheinwerfer des Führungsfahrzeugs. Polizei-Motorräder, Radio-Reportage-Wagen und schließlich mit einem Vorsprung von etwa 200m der Erste. Es ist mit der Startnummer 1 Francesco Ingargiola, ein Italiener auf dessen Gesicht ich schon das Lächeln des Siegers leuchten sehe, obwohl er noch 500m  zu absolvieren hat. Hinter ihm mit deutlich vom Entscheidungskampf gezeichnetem Gesicht folgt Edep Collins aus Kenia. Die Siegerzeit – das kann ich schnell schätzen- wird bei 2:14 h  liegen. Während ich die Allee leicht steigend entlanglaufe kann ich minutenlang die Entscheidungen weiterverfolgen. Besonders beeindruckend dabei der harte Kampf der nächsten vier Läufer, die in der Reihenfolge Lim Sin Su (Korea), Benjamin Kipchuba (Kenia), Jumah Omar Al- Noor (Qatar) und Fouad Abobakir (Qatar) mit Endzeiten von 2:17:10 bis 2:17:52 ins Ziel kommen werden.

Schade nur, dass ich die Entscheidung der Frauen nicht mitverfolgen kann, da ich mittlerweile selbst eine unerwartete Zwischenzeit habe. Hier wird schließlich Bun Hui Jo (2:36:54) vor ihrer Landsfrau Song Suk U (2:40:03), beide aus Nord-Korea siegen. Helene Willix aus Schweden wird dabei mit 13 Sekunden Rückstand auf die Zweite den nächsten Platz belegen.

 

Noch einmal zum geht’s für mich zum Monte Pellegrino. Meine innere Uhr tickt auf Erfolgskurs. Bloß nicht nachlassen. Dass eine seit langem nicht mehr für möglich gehaltene Zeit von unter 3:20 drin ist, weiß ich. Aber es wird knapp. Bergauf im Fünfer-Schnitt und das bei 37km, dann muss es bergab doch mit 4:45 pro km klappen. Und wenn das geht, dann … passen auch noch die 195 Meter unter die Grenze. Noch einmal werde ich von der jungen Ungarin Agnes Kepes überholt, die ich bei km 38 schon hinter mich gelassen hatte. Ich kämpfe mich wieder heran. Schaue nicht mehr auf die Uhr sondern laufe, laufe, laufe. . .

 Der erlösende  Piep der Zeitnahme und jetzt der Blick zur Uhr: 3:19:05 -  Super.

In wenigen Minuten habe ich meinen Kleidersack und spaziere mit einer eigenwilligen Medaille aus Ton um den Hals zum Hotel.

Bald erscheinen Sven und Marion und wir erkunden die Stadt ein weiteres Mal, jetzt allerdings bedeutend langsamer. Abends kommen wir durch Zufall in eine Prozession an

St. Francesco. Wir sind von der inbrünstigen Form der Madonnenverehrung sehr beeindruckt. Den ganzen Tag über, als wir uns mit Marathon und Mehr beschäftigten, wurde eine irrsinnig große silberbeschlagene Madonnenstatue von der Mitgliedern der Gemeinde durch Palermo getragen. Vor unseren Augen wird sie kurz vor 20.00 Uhr von etwa vierzig Männern über steile Stufen wieder in die Kirche von St. Francesco gehoben, wo sie morgens um 10.00 die Prozession begann. Die Träger schwanken einen kurzen Augenblick an der obersten Stufe. Einige springen hinzu. Ein Schrei des Entsetzens der Frauen in der ersten Reihe. Und schließlich unter Jubel, Klatschen, und „Bravo Madonna-Rufen“ das erlösende Auftauchen der silberglänzenden Statue im Tor der Kirche.

Der einsetzende Regen treibt uns ins gegenüberliegende Lokal Antica Foccaceria, wo der Tag bei slow food wunderbar endet.

Am nächsten Morgen hat das schlechte Wetter nicht nachgelassen, so dass wir unsere Pläne für einen Kurztrip nach Cefalu ändern und mit dem Bus ins 20 km entfernte Monreale fahren. Dort besichtigen wir das letzte Zeugnis der Normannen, den Mosaikenzyklus in der Kathedrale.

Der Abschied am Dienstag fällt etwas schwer, da die Sonne wieder die Wetterregie übernommen hat. Bei 15° C blinzle ich, denn der helle Marmor des Politeama Platzes reflektiert das Licht unbarmherzig. Ich hole meine Sonnenbrille aus dem Rucksack, schlendere zum nächsten Eiscafè und gönne mir mit Blick auf die weihnachts- geschmückten Palmen zwei Bällchen.

 

    www.palermomaratona.it




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Autor und Copyright: Werner Winkhold-Gallina, Run 4 Fun Köln,

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