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Mit Prothese sprinten - rechtsherum oder linksherum? |
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Mit Hilfe von
Modelberechnungen können beispielsweise Gelenkmomente kalkuliert und
wichtige Informationen über die muskulo-skelettale Belastung gesammelt
werden. Diese dienen der Grundlagenforschung, finden aber auch
sportpraktische Anwendung in der Trainingssteuerung. |
Neue Studien des Instituts für Biomechanik und Orthopädie zu Kurvensprint und
Startkinetik
Klassischerweise sind es die
Athletinnen und Athleten mit Prothesen, die spektakuläre und medienwirksame
Bilder bei Sportveranstaltungen von Menschen mit Behinderungen liefern. Wie sie
etwa mit einem künstlichen Bein geschmeidig durch das Leichathletikstadion
sprinten oder weite Sätze in die Sandgrube machen. In den vergangenen Jahren gab
es im Paralympischen Sport immer wieder heiß diskutierte Fälle, z.B. die Klage
des unterschenkelamputierten Sprinters Oscar Pistorius gegen den
Leichtathletik-Weltverband IAAF oder als sich der Prothesenträger Markus Rehm
2014 den Deutschen-Meister-Titel im Weitsprung gegen nichtbehinderte
Konkurrenten holte.
Seit etlichen Jahren
beschäftigt sich auch die Deutsche Sporthochschule Köln intensiv mit der
Prothesenforschung. Ein prominentes Beispiel: Im Jahr 2007 beauftragte die IAAF
das Institut für Biomechanik und Orthopädie, die Sprintmechanik des
südafrikanischen Sprinters Oscar Pistorius zu analysieren. Die Wissenschaftler
erstellten damals eine Bewegungsanalyse des beidseitig unterschenkelamputierten
Leichtathleten, weil er als paralympischer Athlet bei den Olympischen Spielen
2008 in Peking starten wollte.
Auch die aktuelle Forschung des Instituts nimmt erneut paralympische
Leichtathleten mit Prothesen in den Blick. Eine von Prof. Wolfgang Potthast und
Johannes Funken geleitete Studie stellt die interessante Frage: Sollte bei einer
einseitigen Amputation die Laufrichtung angepasst werden? Hintergrund ist, dass
Leichtathletinnen und Leichtathleten in den Stadien dieser Welt seit mehr als
100 Jahren gegen den Uhrzeigersinn, also linksherum, laufen.
Linksseitig amputierte Athleten benachteiligt?
Die Studie untersucht, ob
die Seite der Amputation bei einseitig amputierten Athleten einen Einfluss auf
deren sportliche Leistung hat. Der Proband - Weltmeister und Paralympics-Sieger
- durchlief den Messbereich, der der Kurve einer 400m-Bahn nachempfunden war,
mit höchster Geschwindigkeit in gewohnter sowie ungewohnter Richtung. Ein
Kamerasystem mit 16 High-Speed-Kameras und in den Boden eingelassene
Kraftmessplatten erfassten dabei seine Bewegungsdaten. Diese zeigten, dass der
linksseitige Prothesenträger die für ihn untypische Laufrichtung (im
Uhrzeigersinn, rechtsherum) mit einer höheren Geschwindigkeit absolvieren
konnte, als die für ihn im Wettkampf vorgeschriebene Laufrichtung (gegen den
Uhrzeigersinn, linksherum) [Prothese innen: 7.7 m/s, Prothese außen: 8.2 m/s].
Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass die vertikale Kraft, welche der Athlet
über die Prothese auf den Boden ausübt, ebenso reduziert ist wie der vertikale
Gesamtimpuls, wenn der Athlet seine Prothese beim Kurvenlauf auf der Innenseite
trägt. Erste Forschungsergebnisse deuten demnach auf eine Benachteiligung von
linksseitig amputierten Athleten hin und werfen die Frage auf, ob Athleten mit
einer Amputation auf der rechten Seite gegen Athleten mit einer Amputation auf
der linken Seite antreten sollten.
Eine weitere Studie des
Instituts für Biomechanik und Orthopädie unter der Leitung von Steffen
Willwacher beschäftigte sich unlängst mit der Sprintstartkinetik, d.h. mit den
Kraftparametern amputierter und nichtamputierter Sprinter beim Tiefstart. Hierzu
wurden 143 nichtamputierte sowie sieben amputierte Sportler bei maximal
ausgeführten Sprintstarts mit einem dynamometrischen Startblock untersucht. Die
Studie konnte signifikante Zusammenhänge zwischen den Starts und der
100m-Bestzeit bei den nichtamputierten Sportlern nachweisen. Die amputierten
Sportler wiesen hingegen - im Vergleich zu ihrem 100m- Leistungspotenzial - eine
schwächere Startphase auf. Dies ließ sich v.a. in längeren Abdruckzeiten,
verringerten Spitzenkräfte im hinteren Block und einen mehr nach oben
gerichteten Abdruck erkennen. Hieraus lässt sich schließen, dass Sprintprothesen
in der Phase konstanter Laufgeschwindigkeit den Verlust von Gliedmaßen besser
kompensieren können als in der Beschleunigungs- und Startphase.
__________________________________
Autor und Copyright: Julia Neuburg, Michael Johann
Mit freundlicher Unterstützung - Kurier, Hochschulzeitung
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