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Am 9. November 2001 fand der
1. Pharaonen-Lauf christlicher Zeitrechnung statt. Das historische Vorbild ist
urkundlich auf einer Steinplatte festgehalten, die der Ägyptologe Ahmed Moussa
1977 bei Ausgrabungsarbeiten fand. Irgendwann zwischen 690 und 665 vor Christi
Geburt wollte der Pharao Taharka auf einer Inspektionstour die Fitness seiner
Soldaten testen. Und so startete erstmals ein 100-km-Lauf zwischen der Pyramide
von Sakkara und der Oase von Faijoum, an dem der Pharao zumindest auf einer
Etappen selbst teilnahm. Es ging vorbei an den Pyramiden von Memphis, Daschur
und Elleshet bis hin zur Pyramide von Hawara. Alles unter anderem nachlesbar in
der Diplomarbeit unserer Ultra-Königin Birgit Lennartz, die der Geschichte des
Ultralaufs gewidmet ist. Damals beendete laut Steinplatte ein ägyptischer Soldat
den Fitness-Test in acht Stunden, am 9. November 2001 siegte wieder ein Ägypter,
in diesmal 08:35:20.
Der 29jährige Mahmoud Ali Abdel Rehim (Marathonbestzeit 2:27) krönte seinen
ersten 100-km-Lauf mit einem Sieg und einem ersten ägyptischen Rekord. Denn
bisher ist keine Teilnahme eines Ägypters über diese Ultra-Strecke Akten- bzw.
Ergebnislisten-kundig und zum anderen ist das Ergebnis Bestenlisten fähig. Kein
geringerer als der Engländer Hugh Jones, seiner Würden AIMS Generalsekretär, hat
die Laufstrecke nach dem von ihm argusäugig behüteten Regelwerk vermessen und
dokumentiert. Renndirektor ist der Ägypter Gasser Riad, der einmal mehr den
Stendaler Gerd Engel mit ins Schilfboot nahm. Bereits verantwortlich für den
seit acht Jahren erfolgreichen Ägyptenmarathon reisten Gerd und Ehefrau Liesel
gen Memphis, um die organisatorischen Aufgaben auch für den ersten 100-km-Lauf
im Land der Pyramiden zu übernehmen und altbewährt zu lösen. Verantwortlich für
die Strecke war ein weiterer deutscher Läufer und Lauforganisator, der Berliner
Roland Winkler. Sein Bestreben ist es, jedem von ihm mitorganisierten Lauf den
Stempel AIMS geprüft aufs Start- und Zielband zu drücken. Womit wir wieder bei
Hugh Jones wären, der von Roland Winkler aus dem nieselig nassen England an den
sommerlich warmen Nil geholt worden war.
Aber zum Lauf selbst: Der erste Höhepunkt vor dem eigentlichen Start war am 9.
November bereits früh morgens am Hotel, dem Le Meredien Pyramids. Das
60köpfige Läuferfeld aus sieben Nationen nahm die Begleitfahrzeuge in Empfang.
Für jeden (!) Einzelläufer über die 100 Kilometer sowie für jede Mannschaft (2
bis 5 Läuferinnen und Läufer) stand ein Kleinbus mit Fahrer bereit, in dem
Wasser und Verpflegung sowie Wechselkleidung (und Staffelläufer) über die
gesamte Strecke transportiert wurden und somit den Teilnehmerinnen und
Teilnehmern unmittelbar bei Bedarf zur Verfügung standen.
Um kurz nach 6 Uhr gab dann der Sportminister Ägyptens vor der berühmten
Stufenpyramide von Sakkara den Startschuss. Mit einem Wendepunkt-Abstecher zur
Pyramide von Daschur und an einem der Bewässerungskanäle des Nil entlang, durch
kleine Ortschaften und Oasen, zwischen Reispflanzen und Dattelpalmen spulten
sich die ersten 70 Kilometer landschaftlich recht reizvoll und kurzweilig ab.
Wenn sich die Strecke auch durchweg asphaltiert und fast brettglatt gut laufen
ließ, zeigten sich schnell die eigentlichen Probleme: nach den ersten Kilometern
in der Dämmerung der ewigen Smog-Glocke Kairos gerade entronnen, stiegen die
Tagestemperaturen schnell auf 28 Grad, verbrennendes Reisstroh reizte die
Atemwege. Und dann kam die Einsamkeit. Nachdem sich das Läuferfeld schnell
auseinandergezogen hatte, blieben Ingeborg Urbach von GSV Porz als einziger Frau
und ihren 15 männlichen Mitstreitern gute 80 Kilometer Weg ohne jedweden Kontakt
zu einem Mitläufer. Und die letzten 30 Kilometer ging es dann vom grünen Nil weg
hinein in die Wüste.
Als Gesamtzweiter erreichte hinter dem 29jährigen Ägypter ein 63jähriger Bayer
das Ziel. Erwin Remmele aus Taufkirchen unterstrich einmal mehr seine
Leistungsfähigkeit, und das fünf Tage nach der Teilnahme beim New York Marathon.
Der Dritte, Otmar Rüdig aus Neuwied, wurde vom ägyptischen Fernsehen ausgiebigst
zu seinem Lauferlebnis befragt und war mit seinem bisher besten
Plazierungserfolg bei einem 100er sichtlich zufrieden. Den Mannschaftswettbewerb
entschieden zwei ägyptische 5er-Staffeln, die nach 5:44:24 und 5:48:23 die
Hawara-Pyramide erreichten, für sich. 7:25:18 benötigte ein gemischtes
Lufthansa-Team, eine Frau und vier Männer, das den dritten Platz belegte und die
ihre Freude über das gelungene Abenteuer beim Zieleinlauf jubelnd zum Ausdruck
brachten.
Wenn auch übermütige Kinder, die nach den leichtbekleideten Läufern und
Läuferinnen mit Steinen warfen, sowie das Mittagsnickerchen des ein oder anderen
Begleitfahrers, was zu letztlich verschmerzbaren kurzfristigen
Versorgungslücken führte, für vorübergehende Irritationen im Läuferfeld gesorgt
hatten, so ist doch das Bemühen offenkundig, aus dem alten Ägypten in die
internationale sportliche Neuzeit eine Brücke zu schlagen. In für uns
ungewohntem Laufdress, mit Kopftuch und langem Beinkleid fast völlig verhüllt,
aber dennoch erfolgreich, beendeten fünf 19- bis 21jährige Ägypterinnen als
einziges Damen-Team den Lauf. Große Aufmerksamkeit widmeten Fernsehsender und
Zeitungen dem Ereignis, der Sportminister Ägyptens war Schirmherr, der
abschließende Gala-Abend ein glänzender Abschluss.
Am Tag danach diskutierten u. a. Uwe Cizinski (4. Platz) aus Kiel, selbst
erfahrener Organisator des Kieler 6-Stunden-Laufs und eines Marathonlaufs, und
Laufdirektor Gasser Riad Optionen und Perspektiven, um diesem Lauferlebnis
Rahmen und Struktur zu geben, die am 1. November 2002 zum 2. Pharaonen-Lauf
einem weitaus größeren Läuferschar eine Teilnahme auf den Spuren der Pharaonen
ermöglicht. Soviel scheint sicher: Der Start für die 100-km-Läufer wird in die
Oase Faijoum vor die Hawara-Pyramide verlegt und Sakkara wird das Ziel.
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Autor: Copyright Michael Schläbitz für Laufen-in-Koeln,
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