Dauerregen und
Temperaturen unter 10 Grad machten den Langlauf zur Strapaze.
22
Uhr in Adak, es ist taghell und es scheint sogar die Sonne ein
wenig. Seit 4 Stunden sind bereits 10 Walker bzw. Jogger auf der 100
km langen Marathonstrecke.
Pünktlich fällt der Startschuss und das international besetzte
Läuferfeld aus Schweden, Norwegern, Finnen sowie zwei Deutschen
setzt sich in Bewegung über die Startlinie, die sich am Ortsausgang
auf einer Steigung befindet.
Vergessen ist jetzt die Vorbereitungszeit mit einigen Verletzungen
die mein Vorhaben bis zur letzten Sekunde spannend hielten. Es
sollte mein erster Ultra sein und den wollte ich dann auch an einem
besonderen Ort starten.
Wie so oft findet man im Internet schnell was man braucht und so war
die Anmeldung Online schnell getätigt, das niedrige Startgeld inkl.
Pastaparty überwiesen. Eine Unterkunft zu finden war auch kein
Problem, vier Tage bei Annika Johannson gebucht, die für Läufer
immer ein Zimmer reserviert hält, weil sie im Organisationskomitee
tätig ist. Von Düsseldorf aus ging dann mein Flug über Kopenhagen,
Stockholm weiter mit einer kleinen Fokker nach Arvidsjaur. 2
Stunden über die schönste Landschaft fliegen die Schweden zu bieten
hat. Endlose Wälder, unzählige strahlend blaue Seen unter mir bis
zum Horizont. Es ist Mittsommer und die Sonne geht nicht unter.
Selbst bei verhangenem Himmel und Regen war es gegen Mitternacht
immer noch hell.
Am Flughafen Arvidsjaur wurde ich pünktlich mit dem Auto abgeholt
und auf der Fahrt ins 70 km entfernte Adak liefen uns erst einmal
ein paar Rentiere über die Straße. Völlig normal in Lappland und
meine Fahrerin meinte bloß, das trotzdem Vorsicht geboten ist, weil
die Tiere in Panik geraten könnten.
In Adak, einem verträumten 250 Seelen Ort, der früher einmal
Treffpunkt von Minenarbeitern war, die Zink-Silber-Kupfer und
angeblich auch Gold abgebaut haben sollen, macht sie noch schnell
eine kleine Rundfahrt durch das Dorf, um mir alles wichtige, wie den
Konsum und das Freibad zu zeigen. Bis auf ein kleines A3 Plakat
weist nichts auf den Lappland Ultra 2002 hin. Am Starttag selber ist
schon eine gewisse Unruhe im Ort zu spüren. Männer sprühen die
Startlinie neu auf die Straße, Kilometerschilder sind plötzlich zu
sehen und eine Oldmobile Car Show stellt sich in Formation.
Das Schulgebäude, das jetzt in den Ferien Treffpunkt der Läufer ist,
wird in Feststimmung gebracht. Luftballons und Birken schmücken
jetzt das Haus und den gesamten Startbereich.
Um 15 Uhr ist Startnummernausgabe und mit erstaunen sehe ich, das es
2 Nummern gibt. Eine beinhaltet einen kleinen Beutel für etwas
Eigenverpflegung und die andere ist für den Rücken. Jeder Läufer
kann hier irgendwelche Sachen für einen bestimmten Punkt der Strecke
abgeben. Ich entscheide mich für warme Wechselkleidung bei km 42.2
und km 86.1. Ich werde beide jedoch nicht benötigen.
Am Vorabend fand hier in der Schule die Pastaparty statt, es gab
Nudeln mit Fleischklößchen. Für das leibliche Wohl war bestens
gesorgt. Wunderbare Umkleidekabinen mit Duschen und Sauna stehen
den Läufern zur Verfügung. Nach dem Lauf steht allen Finnishern noch
ein Masseur zur Verfügung und die angewärmte Sauna freut sich auf
die müden Läufer.
Die Sonne ist noch zu spüren, angenehme Temperaturen und vor allem,
es ist noch trocken als wir die ersten 10 km hinter uns haben. Ein
riesiger Tross von Fahrzeugen und Radfahrern begleitet uns bergab.
Entlang der Strecke stehen unzählige Menschen mit anfeuernden
heija heija Rufen. Das tut gut. Leider beginnt es nach einer
Stunde zu nieseln, als wir von der Straße auf den Schotterweg in den
Wald biegen. Alle 5 km eine Verpflegungsstation, an der die
Zwischenzeit der Läufer genommen wird und an der Erfrischungen von
Wasser bis Kaffee, sowie Brot, Schokolade und Blaubeeren zur
Verfügung stehen. Der Weg ist mit Kies bestreut und teilweise schwer
zu laufen, aber ich finde immer wieder schnell eine Rinne, in der
ich gut vorwärts komme.
Bei km 28 erreichen wir den ersten längeren leichten Anstieg zur
Staumauer des Wasserkraftwerkes Korsningen.
Ein erstes Gehen ist angesagt um Kräfte zu sparen. Bei km 42.2
Marathon komme ich gut an, es ist etwa 3 Uhr nachts. Ich trinke ein
bisschen Cola und nehme einen größeren Happen zu mir. Hier wird auch
eine Massage angeboten, doch ich fühle mich gut und mache mich rasch
wieder auf den Weg. Ich überhole hier einige Läufer, sogar einen der
2 Soldaten mit Sportrucksack die mich schon mal überholten. Jetzt
laufe ich an im vorbei und habe noch Sichtkontakt zum Mittelfeld.
Mein deutscher Mitläufer ist hier, wie ich später erfuhr mit
Oberschenkelbeschwerden ausgestiegen. Schade!
Ein wunderbarer Ausblick bietet sich hier bis Kilometer 52 entlang
dem Stausee. Es ist kalt geworden. Das Straßenprofil wechselt hier
auf Asphalt, eine scheinbar endlose Straße, mit leicht angehenden
Höhenunterschieden liegt vor mir. Der Regen wird stärker und der
eiskalte Wind bläst mir, inzwischen alleine auf der Strecke, mächtig
ins Gesicht. Ein Fuchs läuft mir fast vor die Füße, wahrscheinlich
habe ich in durch meine Selbstgespräche aufgeschreckt. Ein Elch wäre
mir lieber gewesen, doch die lagen wahrscheinlich irgendwo im
trockenen Gras.
Straight thru the Village heißt es in Slagnäs bei km 64, als ich
den noch schlafenden Ort durchlaufe.
Die nächste Verpflegungsstelle sehne ich herbei, meine Kräfte lassen
langsam etwas nach.
Lkws donnern verdammt nahe an mir vorbei. Der fahrende Doc kommt
alle Stunde mit seinem Wagen und erkundet sich nach meinem befinden.
Everything allright . Was auch sonst. Trotzdem, er hat trockene
Socken und T-Shirts im Angebot, doch ich benötige nichts. Meine
Magenschmerzen von km 30-50 hat die Frau des Arztes, die auch
pausenlos die Strecke betreut, wunderbar versorgt. Auf diesem
Streckenabschnitt gilt es noch ca. 100 Höhenmeter zu überwinden, ich
schleppe mich mehr als das ich laufe, die Straße nimmt kein Ende.
Bald gibt es wieder etwas zu trinken und zu essen, das hält mich
aufrecht. Kurz hinter Slagnäs bei km 69,2 ist die nächste
Verpflegungsstation. Hier wird auch in einem Gebäude eine Massage
angeboten. Doch als ich sehe das sich dort einige Läufer aufhalten,
trinke ich nur kurz etwas Wasser mit Cola und mache mich schnell
wieder auf die Piste. Ich schaue mich noch lange um, ob nicht einige
Läufer versuchen mich wieder zu holen.
Km 86, ein herrlicher Ausblick auf die wunderschöne Landschaft. Ich
bekomme auf einmal Schüttelfrost und friere in meiner kurzen Hose.
An alles habe ich beim Packen gedacht, jedoch eine lange Laufhose
ist mir nicht in den Sinn gekommen. Das rächt sich jetzt bitterböse.
Eine schmale Brücke führt hier über den riesigen Stausee und zu
meiner Überraschung stehen dort eine Menge Menschen im Regen und
versuchen mich mit lautem heija heija anzufeuern. Ich entdecke
unter den Passanten meinen Vermieter, der hier mit seinem
Schneescooter versucht, sich so lange wie möglich auf dem Wasser zu
halten. Wie ich anschließend hörte müssen es 20 Sekunden gewesen
sein, als er das rettende Ufer erreichte.
Mir ist das Publikum an der Wegstrecke eher peinlich, weil sich eine
riesige Wasserblase unter meinem Fußballen gebildet hat und mir das
Laufen jetzt richtig zur Qual wird. Der anhaltende Regen hat meine
Schuhe und Socken völlig durchnässt. Die Blase aufmachen ist auch
nicht drin, da ich im Moment keine trockenen Socken dabei habe. Also
Zähne zusammenbeißen und weiter.
Doch der Gedanke das ich noch mindestens 5-7 Läufer hinter mir weiß,
lässt mich nicht müde werden. In Gedanken sage ich alle Läufe, die
ich noch bis zum Köln-Marathon machen wollte ab. Vor allem an den
Monschau-Marathon mag ich jetzt gar nicht denken.
Es ist 11.00 Uhr morgens als ich endlich den Ortseingang von Adak
erreiche, die letzten 10 km laufe ich bzw. jetzt gehe ich nur noch,
an der letzten Verpflegungsstelle ohne Halt vorbei. Bei km 99 gehts
am Konsum vorbei und dann links um die Kurve und ich befinde mich im
Zieleinlauf. Der Regen hört auf. Gemein. Jubelnde Menschen erwarten
mich mit Applaus und
Ansage.
Ich kann mich tatsächlich noch einmal aufraffen um lächelnd durch
das Ziel zu laufen. Geschafft, 14.57 Std. eine grottenschlechte
Zeit, ich weiß. Doch ich bin Stolz und froh es geschafft zu haben
und noch nicht einmal als letzter. Platz 12 sollte es zum Schluss
sein. Von 35 gestarteten Läufern und einziger Deutscher.
Ganz schnell werde ich zum Zielfoto mit einer Samifrau geführt.
Dieses Bild ziert später bei der Siegerehrung meine Urkunde. Eine
kleine goldene Medaille wird mich an den Lappland Ultra 2002
erinnern.
Ein wunderbarer, schwerer Lauf, der genau der richtige Einstieg für
den Ultralauf war. Jetzt heißt es erst einmal unter die Dusche und
zur Massage, danach die Wunden verarzten und ein wenig schlafen.
Es war ein sehr schwerer Lauf in schönster Landschaft mit fast
familiären Atmosphäre, perfekt organisiert. Ich kann allen die mit
dem Gedanken spielen auch einmal nach Lappland zu fahren nur sagen
heija heija auf nach Adak .
Übrigens, meine abgesagten Läufe werde ich trotzdem machen. |