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Univ.-Prof. Dr. Ingo
Froböse und Laufen-in-Koeln Autor Detlev Ackermann bei einer
Trainingsvorbereitung für den "Brückenlauf" des ASV Köln |
Ingo Froböse: "Wir produzieren
die Kranken der Zukunft"
Über den renommierten Sport-
und Präventionsexperten Ingo Froböse kann man sich sicherlich manchmal wundern,
aber was der an der Deutschen Sporthochschule tätige Sportwissenschafter jüngst
zum Thema Sport und Corona-Lockdown in einem Interview gegenüber ISPO von sich
gab, spricht vielen Menschen aus dem Herzen und der Seele. Es trifft den
berühmten Nagel auf den Kopf.
Während die Profis trotz Corona
in der Bundesliga oder bei der Handball-WM spielen dürfen, ist es Amateuren
hingegen untersagt, gemeinsam joggen zu gehen. Eine Lage, die für Froböse nicht
nachvollziehbar ist. "Das ist die Strategie Brot und Spiele, wie im alten Rom.
Schauen dürft ihr, aber nicht selbst spielen", ärgert sich Froböse. Was ihn aber
am meisten ärgert, dass über die Wertigkeit des Sports für die Gesundheit
momentan überhaupt nicht geredet wird. "Ich finde es dramatisch, was gerade
passiert. Im letzten Jahr waren es schon drei Monate, in denen Sport und
Bewegung weitgehend eingeschränkt wurden. Jetzt sind es seit dem 2. November
schon wieder bald vier Monate und ein Ende ist nicht abzusehen. Wir produzieren
die Kranken der Zukunft und provozieren Entwicklungsdefizite bei Kindern", so
Froböse.
Unverständnis zeigt Froböse
auch für das pauschale Vorgehen seitens der Politik. Statt differenzierter
Sichtweisen, wurde großflächig alles dicht gemacht. Ist das gerechtfertigt? "So
lange wir nicht genau wissen, wo die Erkrankungen genau herkommen, können wir
auch nicht pauschal ganze Bereiche schließen. Jeder weiß, dass körperliche
Aktivitäten gut für das Immunsystem sind. Warum ist es nicht möglich, Tennis in
der Halle ohne jeden Körperkontakt zu spielen, wenn nur jeder zweite Platz
besetzt und Duschen geschlossen werden? Warum kann man im Fußball nicht
Trainingsformen ohne Körperkontakt nutzen, um Technik und Taktik zu schulen?
Warum darf Reiten nicht stattfinden?", beklagt Froböse.
Der SpoHo-Professor greift die
Politik an und ist sich sicher, dass diese Entscheidungen für die Menschen
dramatische Folgen haben werden. "Das ist ein Skandal". Im Interview beschreibt
Froböse, dass er selbst mehrere Gutachten zum Thema "Gewichtszunahme in der
Pandemie" erstellt habe. Man darf davon ausgehen, dass je nach Stadt von drei
bis vier Kilogramm pro Person auszugehen ist. Mindestens genauso dramatisch
sieht Froböse den Verlust motorischer Entwicklungsschritte bei Kindern: "Für
Wachstumsprozesse und die Entwicklung bestimmter kognitiver Fähigkeiten braucht
es Bewegung. Um zum Beispiel das Knochenwachstum anzuregen, müssen Kinder
springen und hüpfen. Aber die Schulen sind geschlossen und selbst, als sie noch
geöffnet waren, gab es weitgehend keinen Sportunterricht." Neben den physischen
Folgen sieht Froböse aber auch in Folge der Sporteinschränkungen durch Corona
psychische Folgen: "Sport ist eines der wichtigsten Stressventile. Wenn Sport
nicht stattfinden kann, wird der Stress nicht abgebaut. Das führt zum Beispiel
zu mehr Aggressionen in Familien."
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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln Foto: Stephan Ehritt
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