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Marathon - Weltrekorde - Wunderschuhe |
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Marathon - Weltrekorde - Wunderschuhe
In der aufregenden Welt des
Marathons wirft der bevorstehende New York Marathon diesen Sonntag einen
besonderen Fokus auf ein spezifisches Detail: die Laufschuhe der Athleten. In
den letzten Wochen hat sich eine lebhafte Diskussion um die sogenannten
"Superschuhe" entwickelt, insbesondere nach den beeindruckenden Weltrekorden von
Kelvin Kiptum in Chicago und Tigist Assefa in Berlin. Diese Rekorde haben das
Interesse an dem Hightech-Material, aus dem die Schuhe gefertigt sind, neu
entfacht.
Die Frage, ob die magische
Zwei-Stunden-Marke beim Marathon bald geknackt wird, steht mehr denn je im Raum.
Der Kenianer Eliud Kipchoge hatte vor vier Jahren bereits eine Zeit nahe dieser
Marke erreicht, doch diese Zeit wird nicht als offizieller Weltrekord anerkannt,
da sie unter quasi-Laborbedingungen und mit der Unterstützung zahlreicher
Pacemaker erreicht wurde.
Wolfgang Potthast, Leiter der
Abteilung klinische und technologische Biomechanik an der Sporthochschule in
Köln, liefert einen tiefen Einblick in die Thematik. Er betont, dass der Hype um
die "Superschuhe" keineswegs eine kurzfristige Erscheinung ist. Schuhe, die mit
der neuesten Technologie ausgestattet sind, können bei gut trainierten
Amateurläufern die Sauerstoffaufnahme um bis zu vier Prozent reduzieren. "Das
führt dazu, dass die Muskeln vier Prozent weniger Energie benötigen und somit
effizienter arbeiten. Oder umgekehrt ausgedrückt, die Läufer können bei
gleichbleibendem Energieeinsatz vier Prozent schneller laufen", erklärt
Potthast.
Im Wettrennen um die
technologisch fortschrittlichsten und leistungsstärksten Laufschuhe liefern sich
die Giganten der Sportartikelindustrie, Nike und Adidas, ein erbittertes Duell.
"Seit einigen Jahrzehnten wissen wir, dass eine Gewichtsreduktion des Schuhs um
100 Gramm die Sauerstoffaufnahme um ein Prozent reduziert", fügt Potthast hinzu.
Die perfekte Kombination aus geringem Gewicht, einem leichten, dämpfenden Schaum
und einer Carbonplatte ist entscheidend für die Optimierung der Laufschuhe.
Die Verwendung von Carbon ist
dabei nicht zwingend notwendig, allerdings bietet dieses Material eine ideale
Kombination aus Leichtigkeit und Steifheit. "Carbon ist aktuell sehr angesagt,
es gilt als modern und cool", bemerkt Potthast. "Das Material hat Ähnlichkeiten
mit den Sprintprothesen, wie sie von den Paralympics-Siegern Oskar Pistorius und
Markus Rehm verwendet wurden."
Um der wachsenden Debatte um
die Schuhe Herr zu werden, gründete der internationale Verband World Athletics
im Sommer 2020 eine Arbeitsgruppe. Diese legte fest, dass Wettkampfschuhe
grundsätzlich im Handel für jeden Athleten verfügbar sein müssen, bevor sie in
einem Wettkampf getragen werden dürfen. Ausnahmen gibt es für Prototypen, die
Hersteller ihren gesponserten Sportlern in Wettbewerben zur Verfügung stellen.
Allerdings ist diese Praxis auf zwölf Monate begrenzt, und bei
Weltmeisterschaften sowie den Olympischen Spielen ist der Einsatz dieser
Prototypen untersagt.
Die rasante Entwicklung der
Laufschuhe und der damit verbundenen Laufzeiten wirft jedoch auch Fragen auf.
"Es gibt zwei Sichtweisen", erläutert Jo Schindler, Renndirektor des Frankfurter
Marathons. "Die eine fokussiert sich auf die Entwicklung der Schuhtechnologie
und die Integration der Carbonplatte. Läufer berichten, dass sie durch die
federnde Wirkung des Schuhs bis zu zwei Minuten schneller sind. Die andere
Sichtweise betrifft die Integrität des Sports. Immer wenn außergewöhnliche
Leistungen erbracht werden, muss man sich heute die Frage stellen, ob alles mit
rechten Dingen zugegangen ist."
Kenia, ein Land, das regelmäßig
für Laufrekorde sorgt, fällt allerdings auch negativ auf. Mit mehr als 60
gesperrten Doping-Sündern, überwiegend Langstreckenläufer, nimmt es einen
Spitzenplatz auf der Liste der "Athletics Integrity Unit" des Weltverbandes ein.
Zugleich konzentrieren sich immer mehr afrikanische Talente auf den Halbmarathon
und den Marathon, da hier mehr Geld zu verdienen ist als auf der Laufbahn.
Für Potthast steht fest, dass
trotz der beeindruckenden Fortschritte bei den Laufschuhen der Athlet im Zentrum
der Leistung steht. "Klar, vier Prozent können viel ausmachen. Aber die Rekorde
purzeln nicht nur wegen der Schuhe", betont er. Auch in anderen
Ausdauersportarten, wie dem Radsport, verbessern sich die Leistungen stetig,
unabhängig von der Schuhtechnologie.
World Athletics sieht die Flut
an Weltrekorden als Teil der natürlichen Entwicklung des Sports und betont, dass
neben der Technologie auch verbesserte Trainingsmethoden, Ernährung und weitere
Faktoren zu den Leistungssteigerungen beitragen. Nicht zuletzt die
Coronapandemie hat dazu geführt, dass die Sportler sich intensiver und
fokussierter auf ihre Wettkämpfe vorbereiten konnten.
Für Hobbysportler sind die
teuren Superschuhe laut Potthast jedoch nicht unbedingt notwendig. "Diese Schuhe
sind speziell für Spitzenathleten konzipiert. Bei langsameren Geschwindigkeiten
können sie sogar unangenehm sein", warnt der Biomechaniker. "Es gibt viele gute
Laufschuhe, die für den Normalverbraucher deutlich besser geeignet sind."
Mit Spannung wird nun der New
York Marathon erwartet, bei dem sich zeigen wird, welche Athleten und welche
Schuhe in der Lage sind, die Bestzeiten weiter zu drücken und die Aufmerksamkeit
der Welt auf sich zu ziehen.
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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln
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