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Ruth Chepngetichs Rekordlauf: Revolution oder Ende der Leichtathletik? |
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Ruth Chepngetichs |
Ruth Chepngetichs Rekordlauf: Revolution oder das Ende der Leichtathletik?
Ruth Chepngetich hat die Welt
des Langstreckenlaufs mit ihrer neuen Marathon-Bestzeit von 2:09:56 Stunden
erschüttert. Als erste Frau, die die 2:10-Stunden-Marke unterbot, stellt ihr
Erfolg die Frage: Ist dies das Ergebnis legitimer sportlicher Entwicklungen oder
der Überschreitung menschlicher Grenzen?
Chepngetichs Leistung lässt
viele Experten verwundert zurück. Sie verbesserte ihre bisherige Bestleistung um
mehr als vier Minuten und brach den Weltrekord um fast zwei Minuten - eine
Verbesserung, die in der Geschichte des Marathonlaufs fast beispiellos ist. Zum
Vergleich: Früher lagen Weltrekordverbesserungen meist im Bereich von wenigen
Sekunden bis maximal einer Minute. Während ihre Fans den Rekord als "Revolution
des Laufsports" feiern, sehen Kritiker darin den "Tod der Leichtathletik".
Stephen Kerr, ein irischer Mittelstreckler und ehemaliger Teilnehmer
internationaler Wettkämpfe, erklärte auf der Plattform "X", dass dieser
Weltrekord ein Zeichen für das Ende des ehrlichen Wettkampfs in der
Leichtathletik sei. Er zweifelte offen daran, dass eine solche Verbesserung
durch legale Mittel erklärbar sei, und fragte sich, welche drastischen
Änderungen Chepngetich im Training vorgenommen habe.
Chepngetichs Leistungen in
Chicago waren nicht nur eine Demonstration ihrer Ausdauer über die
Marathonstrecke. Sie verbesserte dabei ihre persönlichen Bestzeiten über 5000
und 10.000 Meter und lief zudem den fünftschnellsten Halbmarathon aller Zeiten -
alles innerhalb eines einzigen Rennens. Solche gleichzeitigen Verbesserungen
sind äußerst selten, da Athleten normalerweise gezielt für spezifische Distanzen
trainieren, um Bestleistungen zu erreichen. Zudem führt die körperliche
Erschöpfung während eines Marathons häufig zu schlechteren Zeiten auf kürzeren
Distanzen. Im Ziel war sie vier Minuten und 22 Sekunden schneller als ihre
bisherige Bestleistung vor zwei Jahren.
High-Tech-Schuhe und Tempomacher: Fortschritt oder Manipulation?
Chepngetichs neue Bestzeit ist
Teil einer Entwicklung im Laufsport, die mit der Einführung von
High-Tech-Laufschuhen begann. Diese Schuhe, ausgestattet mit Karbonplatten und
besonders dämpfenden Sohlen, sollen die Laufeffizienz steigern und haben in den
letzten Jahren eine Reihe von Weltrekorden ermöglicht. Dazu kommen verbesserte
Trainingsmethoden, optimierte Ernährungsstrategien und der Einsatz von
Tempomachern, die die Leistungsfähigkeit zusätzlich steigern.
Doch diese Faktoren werfen auch
kritische Fragen auf. Stephen Kerr sieht in diesen "Hilfsmitteln" eine Form der
Manipulation. Die modernen Schuhe, die männlichen Tempomacher und die schnellen
Streckenbedingungen in Chicago seien alles Faktoren, die das Ergebnis verzerren,
so seine Kritik. Auch Athleten wie Eliud Kipchoge und Brigid Kosgei haben
ähnliche Vorteile genutzt, um ihre Weltrekorde aufzustellen, was den Einfluss
dieser Hilfsmittel verdeutlicht. "Deutlicher kann man es nicht zeigen, dass
dieses Ergebnis nicht normal ist. Sie machen den Sport und die sauberen Athleten
zum Gespött", erklärte Kerr.
Die Frage bleibt, ob solche
technischen Fortschritte den Sport wirklich verbessern oder ob sie die Grenze
zwischen natürlicher Leistung und technischer Manipulation verschwimmen lassen.
Für viele sind diese Entwicklungen eine notwendige Evolution - für andere jedoch
ein Schritt in Richtung eines unnatürlichen und ungerechten Wettbewerbs.
Dopingproblematik in Kenia
Ein weiterer Aspekt, der die
Diskussionen um Chepngetichs Weltrekord anheizt, ist das Dopingproblem in Kenia.
Der Ruf des Landes hat in den letzten Jahren stark gelitten, insbesondere durch
zahlreiche Dopingfälle. In den vergangenen drei Jahren wurden 78 kenianische
Athleten und Athletinnen wegen Dopingverstößen sanktioniert, darunter viele
Mittel- und Langstreckenläufer wie der bekannte Marathonläufer Wilson Kipsang.
Diese Fälle verdeutlichen die Schwere des Problems. Hinzu kommt, dass die neu
gegründete Nationale Anti-Doping-Agentur (ADAK) massive finanzielle Kürzungen
hinnehmen musste, was die Effektivität der Kontrollen weiter infrage stellt.
In diesem Kontext wirkt
Chepngetichs Antwort auf die Zweifel fast naiv: "Ich weiß nicht", sagte sie, "die Leute müssen ja über etwas reden." Doch die Skepsis bleibt, besonders
angesichts der Dopinggeschichte ihres Heimatlandes.
Zwischen Bewunderung und Skepsis
Das Fachmagazin "Let's Run"
schrieb, dass Chepngetichs Zeit von 2:09:56 Stunden "so schnell" sei, "dass es schwerfällt, das zu begreifen". Tatsächlich scheint es schwierig, eine klare
Trennlinie zwischen außergewöhnlicher sportlicher Leistung und dem Einfluss
externer Hilfsmittel zu ziehen. Einerseits müssen wir anerkennen, dass die
Leichtathletik sich weiterentwickelt und neue Technologien die Grenzen des
Möglichen erweitern. Andererseits stellt sich die Frage, ob wir an einem Punkt
angekommen sind, an dem der Sport selbst Schaden nimmt.
Die Frage, ob Ruth Chepngetichs
Weltrekord als Triumph des menschlichen Willens und der technologischen
Innovation gefeiert werden sollte oder ob er das Ende des fairen Wettbewerbs
bedeutet, bleibt offen. Sportwissenschaftler wie Dr. Michael Johnson betonen,
dass technologische Entwicklungen zwar bedeutende Fortschritte ermöglichen,
jedoch die Grenze zwischen fairer Verbesserung und Manipulation schwer zu ziehen
sei. Auch Funktionäre wie der ehemalige IAAF-Präsident Sebastian Coe haben
darauf hingewiesen, dass strikte Regeln für den Einsatz neuer Technologien
notwendig sind, um die Integrität des Wettkampfs zu wahren. Fakt ist, dass der
Zweifel immer mitschwingt - und vielleicht ist das die größte Gefahr für die
Zukunft der Leichtathletik.
__________________________________
Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln Foto: Clark Adams
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