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Ruth Chepngetichs Rekordlauf: Revolution oder Ende der Leichtathletik?
 
 
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20.10.2024  

 
 

Ruth Chepngetichs

 
Ruth Chepngetichs Rekordlauf: Revolution oder das Ende der Leichtathletik?

 
Ruth Chepngetich hat die Welt des Langstreckenlaufs mit ihrer neuen Marathon-Bestzeit von 2:09:56 Stunden erschüttert. Als erste Frau, die die 2:10-Stunden-Marke unterbot, stellt ihr Erfolg die Frage: Ist dies das Ergebnis legitimer sportlicher Entwicklungen oder der Überschreitung menschlicher Grenzen?
 
Chepngetichs Leistung lässt viele Experten verwundert zurück. Sie verbesserte ihre bisherige Bestleistung um mehr als vier Minuten und brach den Weltrekord um fast zwei Minuten - eine Verbesserung, die in der Geschichte des Marathonlaufs fast beispiellos ist. Zum Vergleich: Früher lagen Weltrekordverbesserungen meist im Bereich von wenigen Sekunden bis maximal einer Minute. Während ihre Fans den Rekord als "Revolution des Laufsports" feiern, sehen Kritiker darin den "Tod der Leichtathletik". Stephen Kerr, ein irischer Mittelstreckler und ehemaliger Teilnehmer internationaler Wettkämpfe, erklärte auf der Plattform "X", dass dieser Weltrekord ein Zeichen für das Ende des ehrlichen Wettkampfs in der Leichtathletik sei. Er zweifelte offen daran, dass eine solche Verbesserung durch legale Mittel erklärbar sei, und fragte sich, welche drastischen Änderungen Chepngetich im Training vorgenommen habe.
 
Chepngetichs Leistungen in Chicago waren nicht nur eine Demonstration ihrer Ausdauer über die Marathonstrecke. Sie verbesserte dabei ihre persönlichen Bestzeiten über 5000 und 10.000 Meter und lief zudem den fünftschnellsten Halbmarathon aller Zeiten - alles innerhalb eines einzigen Rennens. Solche gleichzeitigen Verbesserungen sind äußerst selten, da Athleten normalerweise gezielt für spezifische Distanzen trainieren, um Bestleistungen zu erreichen. Zudem führt die körperliche Erschöpfung während eines Marathons häufig zu schlechteren Zeiten auf kürzeren Distanzen. Im Ziel war sie vier Minuten und 22 Sekunden schneller als ihre bisherige Bestleistung vor zwei Jahren.
 
High-Tech-Schuhe und Tempomacher: Fortschritt oder Manipulation?
 
Chepngetichs neue Bestzeit ist Teil einer Entwicklung im Laufsport, die mit der Einführung von High-Tech-Laufschuhen begann. Diese Schuhe, ausgestattet mit Karbonplatten und besonders dämpfenden Sohlen, sollen die Laufeffizienz steigern und haben in den letzten Jahren eine Reihe von Weltrekorden ermöglicht. Dazu kommen verbesserte Trainingsmethoden, optimierte Ernährungsstrategien und der Einsatz von Tempomachern, die die Leistungsfähigkeit zusätzlich steigern.
 
Doch diese Faktoren werfen auch kritische Fragen auf. Stephen Kerr sieht in diesen "Hilfsmitteln" eine Form der Manipulation. Die modernen Schuhe, die männlichen Tempomacher und die schnellen Streckenbedingungen in Chicago seien alles Faktoren, die das Ergebnis verzerren, so seine Kritik. Auch Athleten wie Eliud Kipchoge und Brigid Kosgei haben ähnliche Vorteile genutzt, um ihre Weltrekorde aufzustellen, was den Einfluss dieser Hilfsmittel verdeutlicht. "Deutlicher kann man es nicht zeigen, dass dieses Ergebnis nicht normal ist. Sie machen den Sport und die sauberen Athleten zum Gespött", erklärte Kerr.
 
Die Frage bleibt, ob solche technischen Fortschritte den Sport wirklich verbessern oder ob sie die Grenze zwischen natürlicher Leistung und technischer Manipulation verschwimmen lassen. Für viele sind diese Entwicklungen eine notwendige Evolution - für andere jedoch ein Schritt in Richtung eines unnatürlichen und ungerechten Wettbewerbs.
 
Dopingproblematik in Kenia
 
Ein weiterer Aspekt, der die Diskussionen um Chepngetichs Weltrekord anheizt, ist das Dopingproblem in Kenia. Der Ruf des Landes hat in den letzten Jahren stark gelitten, insbesondere durch zahlreiche Dopingfälle. In den vergangenen drei Jahren wurden 78 kenianische Athleten und Athletinnen wegen Dopingverstößen sanktioniert, darunter viele Mittel- und Langstreckenläufer wie der bekannte Marathonläufer Wilson Kipsang. Diese Fälle verdeutlichen die Schwere des Problems. Hinzu kommt, dass die neu gegründete Nationale Anti-Doping-Agentur (ADAK) massive finanzielle Kürzungen hinnehmen musste, was die Effektivität der Kontrollen weiter infrage stellt.
 
In diesem Kontext wirkt Chepngetichs Antwort auf die Zweifel fast naiv: "Ich weiß nicht", sagte sie, "die Leute müssen ja über etwas reden." Doch die Skepsis bleibt, besonders angesichts der Dopinggeschichte ihres Heimatlandes.
 
Zwischen Bewunderung und Skepsis
 
Das Fachmagazin "Let's Run" schrieb, dass Chepngetichs Zeit von 2:09:56 Stunden "so schnell" sei, "dass es schwerfällt, das zu begreifen". Tatsächlich scheint es schwierig, eine klare Trennlinie zwischen außergewöhnlicher sportlicher Leistung und dem Einfluss externer Hilfsmittel zu ziehen. Einerseits müssen wir anerkennen, dass die Leichtathletik sich weiterentwickelt und neue Technologien die Grenzen des Möglichen erweitern. Andererseits stellt sich die Frage, ob wir an einem Punkt angekommen sind, an dem der Sport selbst Schaden nimmt.
 
Die Frage, ob Ruth Chepngetichs Weltrekord als Triumph des menschlichen Willens und der technologischen Innovation gefeiert werden sollte oder ob er das Ende des fairen Wettbewerbs bedeutet, bleibt offen. Sportwissenschaftler wie Dr. Michael Johnson betonen, dass technologische Entwicklungen zwar bedeutende Fortschritte ermöglichen, jedoch die Grenze zwischen fairer Verbesserung und Manipulation schwer zu ziehen sei. Auch Funktionäre wie der ehemalige IAAF-Präsident Sebastian Coe haben darauf hingewiesen, dass strikte Regeln für den Einsatz neuer Technologien notwendig sind, um die Integrität des Wettkampfs zu wahren. Fakt ist, dass der Zweifel immer mitschwingt - und vielleicht ist das die größte Gefahr für die Zukunft der Leichtathletik.



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Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln
Foto: Clark Adams

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