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Der Schulsport muss bei allen bildungspolitischen Bemühungen,
nationale Bildungsstandards zur Verbesserung der Unterrichtsqualität zu
entwickeln, ein fester, integraler Bestandteil des Unterrichts an den
allgemeinbildenden Schulen bleiben.
Hauptschulen sind das absolute Stiefkind des Schulsports
Das forderten Politiker,
Pädagogen und Schulpraktiker in der Sendung "Nachspiel" im Deutschlandradio
Berlin. "Die Hinwendung zu kognitiven Fächern wird wohl nicht dazu führen, dass
der Schulsport zukünftig vernachlässigt wird", hofft Prof. Wolf-Dietrich
Brettschneider von der Universität Paderborn, der die empirische
Schulsportstudie SPRINT des Deutschen Sportbundes (DSB) und der
Kultusministerkonferenz der Länder leitet. "Es sieht im Moment eher so aus, dass
die Hinwendung zu bildungspolitischen Fragen eine Sogwirkung erzielt, von
welcher der Sport profitieren kann."
Allerdings spielt derzeit in
der großen Reformdiskussion, die durch das mäßige Abschneiden 15-jähriger
Schülerinnen und Schüler bei internationalen Bildungstests in Gang geraten war,
der Sport so gut wie keine Rolle genauso wenig wie die Fächer Musik, Kunst und
Religion. Die Sportpädagogik sieht sich im Moment stark herausgefordert, denn
die Bildungspolitik tendiert zu einer ökonomischen und technokratischen
Orientierung von Schule. Einige Erziehungswissenschaftler wollen eine reine
Paukanstalt schaffen, in der Sport und Kultur nur noch sehr wenig Raum haben
dürften.
Sportunterricht ist unerlässlich für die gesunde Entwicklung der Kinder
Überhaupt: Der Schulsport ist
vielen Erziehungswissenschaftlern schon lange ein Dorn im Auge. So fordert Prof.
Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin, die Streichung des
Sportunterrichts aus dem Fächerkanon. Lenzen meint, Schulsport sei heute durch
Sicherung individueller Interessen der Sportorganisationen begründet, die im
Gegensatz zu staatlichen Interessen ständen. Der Wissenschaftler blendet dabei
allerdings die präventiven und die sozialen Komponenten sowie den
Bildungsauftrag des Sports aus.
Energischen Widerspruch gegen
Lenzens Thesen erhob im Deutschlandradio Berlin Schulleiter Friedhelm Julius
Beucher von der Montanus-Grundschule in Burscheid. "Ich stehe für ein anderes
Bildungsideal ein", erklärte der Rektor, der von 1998 bis 2002 Vorsitzender des
Sportausschusses des Deutschen Bundestages war. "Drei Stunden Sportunterricht:
Das ist eigentlich die Pflicht, die in der Schule auch umgesetzt werden sollte.
Jeder, der da etwas wegnehmen will, versündigt sich an der körperlichen
Entwicklung der Kinder."
Neue Impulse für den Schulsport
Sportpädagogen weisen mit Recht
darauf hin: Sport ist heute das einzige Fach in der Schule, in dem sich
Bildungs- und Erziehungsprozesse direkt über körperliche Erfahrungen vollziehen.
So stehen die Sport-Befürworter in der Pädagogik für eine Schule, die junge
Menschen mit Leib und Seele bilden und erziehen soll; sie engagieren sich für
eine Schule, die mehr ist als eine Vermittlungsagentur von Wissensbeständen. Der
Sport- und Erziehungswissenschaftler Christian Bilan von der FU Berlin setzt
sich für eine Neuakzentuierung des Schulfaches ein. "Wir müssen vom reinen
Sportarten-Konzept wegkommen und den Sportunterricht auf Fähigkeiten und
übergreifende Fertigkeiten orientieren", sagte Bilan. "Ich kann mir gut
vorstellen, die Einzelstunde Sport in einen Kanon zu überführen. Man kann sie
mit Musikunterricht zusammenbringen und den Tanz prononcieren. Sie kann mit
Arbeitslehre gekoppelt werden, wenn es um Ernährung, sportliche Bewegung und
gesunde Lebensführung geht."
Kernbestandteil des
Sportunterricht sollte so Christian Bilan eine gute sportmotorische
Grundausbildung sein, die Grundfertigkeiten für das Leben lehrt: "Diese
Grundfertigkeiten körperlicher Bewegung, auch Körperbeherrschung, kann in vielen
Alltagssituationen helfen."
Das Hörfunk-Feature
beschäftigte sich auch mit der desolaten Situation des Schulsports an
Hauptschulen. Gerade bei den Schülerinnen nehme das Desinteresse zu, erklärte
Sportlehrerin Sieglinde Wild von der Anna-Siemsen-Oberschule in Berlin-Neukölln:
"Es ist für die Mädchen immer eine Strafe, wenn die Leichtathletik-Saison
beginnt das mögen sie gar nicht. Laufen fällt ihnen schwer, sie sind nicht
ausdauernd. Sie schaffen es oft nicht, fünf Minuten durchzulaufen. Sobald es
anstrengend wird, verweigern sie sich auch." Dabei werde von den Schülern und
den Eltern die Bedeutung des Sportunterrichts und der Sportzensur unterschätzt,
denn ein zukünftiger Ausbildungsplatzgeber schaue sich natürlich auch die
Sportnote an. Eine Fünf oder Sechs signalisiere doch, "dass der Jugendliche eine
Arbeitshaltung hat, die nicht willkommen ist: er hat sich verweigert, oder er
ist schlicht und einfach gesagt faul".
Zahl der Übergewichtigen an den Hauptschulen steigt dramatisch
Nach Einschätzung des
Kollegiums müsste die Hauptschule eigentlich täglich zwei Stunden
Sportunterricht geben, um die körperlichen Defizite der jungen Leute
aufzufangen. Gerade bei den Jungen nimmt nach Beobachtung von Sieglinde Wild das
Übergewicht ständig zu: "Wenn sie einen Beruf erlernen wollen, in dem man viel
stehen muss, Koch, Maler oder Friseur, bekommen sie große Probleme
vorausgesetzt sie bekommen bei ihrer Körperfülle überhaupt eine Lehrstelle."
Gerade in den Hauptschulen sei
der Sport das absolute Stiefkind, erklärte Prof. Wolf-Dietrich Brettschneider.
Sportunterricht werde hier im Vergleich zu anderen Schularten am wenigsten
und dann auch noch qualitativ am schlechtesten erteilt. Der Sportpädagoge und
Erziehungswissenschaftler Christian Bilan (Berlin) hört sogar eine
bildungspolitische Zeitbombe ticken: "Mit der kognitiven Arbeit komme ich
zwangsläufig nicht mehr an alle Schüler heran. Dies schaffen wir nur über
Emotionen, über Körperarbeit." Das Projekt von Sir Simon Rattle, Chefdirigent
der Berliner Philharmoniker, sei vorbildlich: Rattle hatte sich vor der
Vertragsunterzeichnung zusagen lassen, dass er an Hauptschulen Tanz-, Körper-
und Theaterarbeit mit Jugendlichen machen kann. Bilan: "Genau diese Hauptschüler
sind dadurch angerührt worden, wie man es von Musik kennt. Diesen Transfer kann
man problemlos auf den Sport übertragen. Über Körperarbeit, über Expression
dessen, was in ihnen drin sitzt und was sie verbal einfach nicht darstellen
können, können Schüler neu beschult werden. Ein Sportunterricht mit neuen
Ansätzen wäre hierfür eine sehr wertvolle Komponente."
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Autor und Copyright: Pressemeldung des Deutschen Sportbundes (DSB)
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