|
Spätestens seit Markus Ryffel und Dieter Baumann in den achtziger Jahren an
diversen Verletzungen laborierten, wegen akuter Beschwerden "ärztliches"
Laufverbot erhielten und deshalb auf Alternativen auswichen, sind diese auch hier zu
Lande der breiteren Öffentlichkeit ein Begriff.
Und als diese noch zum (unerwarteten) Erfolg
führten, wie Dieter Baumanns WM-Silber oder
Olympia-Gold ausdrücklich belegen konnten,
wurden alternative Trainingsformen immer gezielter in den Trainingsprozess eingearbeitet. Sie
können auch unbedenklich zur »Regeneration« in
den Jahresabschnitten eingesetzt werden, in
denen keine Ambitionen auf ein wettkampforientiertes Training bestehen.
Nicht nur um Überlastungen vorzubeugen, gehen
immer mehr Läufer "ins Wasser". Dabei möchten sie nicht mit gezielten
Kraulschlagen oder Delphinbewegungen ihren in diesem Element aktiven Ausdauerkollegen Konkurrenz machen, sondern mit
laufimitierenden Belastungen - unterstützt von
Wet-vest, Aqua-Joggen oder ähnlichen auftriebsfördernden Modellen - das Lauftraining optimieren. Aber das sind nicht die einzigen Alternativen.
Ideologien und Trainingsalternativen bestimmten in
der Vergangenheit die Entwicklung in West- und Ostdeutschland. Wahrend im Westen
allenfalls Skilanglaufeinheiten in den Wintermonaten eine Alternative bedeuteten, ergänzten Tüftler im Osten den
Trainingsalltag mit Skirollern und anderen Hilfsgeräten. Allen Ansätzen ist eines gemeinsam: Die
Angst vor Fehl- und Überbelastungen, die sich
zwangsläufig bei zu einseitigem Training einschieichen. Nichts ist schlimmer als die Monotonie:
immer die gleichen Strecken, immer im gleichen
Tempo. Die Leistungsverbesserungen bleiben zwangsläufig aus oder sind im
Gegensatz zum Aufwand nur gering. Da für die meisten Freizeitläufer
weder die Trainingsdauer noch die Trainingsintensitäten mangels verfügbarer Zeit beliebig erweitert
werden können, bleibt nur die qualitative Verbesserung gemäß dem Schlüsselwort "Vielseitigkeit".
Ganz im Gegensatz zu früheren Untersuchungen
bringen abwechselnde Trainingseinheiten (Rad,
Schwimmen) durchaus Leistungsverbesserungen. Die Mär, dass Radfahren die
läuferischen Fähigkeiten negativ beeinflusst, kann zu den Akten gelegt werden, wenn kleine Gänge und eine höhere
Trittfrequenz gewählt werden.
Schonende Varianten
Bei 120, 160, 200 oder mehr Wochen-Kilometern
trainieren ambitionierte Ausdauersportler immer
stärker in Grenzbereichen für den Sehnen- und
Bänderapparat und die Muskulatur. Dies gilt nicht
nur für den leistungsorientierten Läufer, sondern
auch in besonderem Maße für den Freizeitsportler.
Wobei hier die Grenzbereiche aufgrund der geringeren Belastungsverträglichkeit mit 60 oder
80 Wochen-Kilometern deutlich früher erreicht
werden. Die individuelle Belastungsgrenze mag
zwar mit dem Trainingsalter steigen, die persönlichen Ziele allerdings auch.
Auf die jeweilige Sportart
zugeschnittene Trainingsvarianten lassen gezieltes Radtraining oder Skilanglauf als sinnvolle, den Bewegungsapparat
schonende Alternative gelten - vor allem, wenn Kraftausdauer-Maßnahmen in der
Vorbereitungsphase angesagt sind. Oder bei verletzungsbedingten Pausen, um die negativen Auswirkungen
(Muskelschwund, Ausdauerverlust) auf ein Minimum zu reduzieren. Diese Sportarten stellen eine
gute Ergänzung zum Lauftraining dar, können aber
auch die Koordination und Flexibilität steigern
helfen.
Hier sollen Trainingsalternativen angesprochen
werden, die als eine sinnvolle Ergänzung eingesetzt werden können, um auf höherer Entwicklungsstufe
Eingang in den nächsten Trainingsabschnitt zu finden. Keine Alternativen sind
Spielsportarten, die zwar ein Gruppenerlebnis,
aber auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko bedeuten - nicht zuletzt aufgrund eines
übergroßen Einsatzes und technischer Unzulänglichkeiten.
Crosslaufen
Paula Radcliffe tut's, ebenso Paul Tergat und Haile
Gebrselassie. Selbstverständlich auch die leistungsstarken Spanier und Portugiesen. Bei den
Ostafrikanern, egal ob diese aus Kenia oder Äthiopien kommen, entspricht es ihrem Naturell. Die
Rede ist vom Cross-Country-Laufen, oder kurz:
vom Crossläufen. Auf gut Deutsch: Querfeldeinlaufen. Unter Crosstraining wird zwar heute auch ein
Mix aus unterschiedlichen Trainingsmitteln oder Fitness-Programmen verstanden,
aber diese Sinngebung trifft in diesem speziellen Fall nicht zu. Viele sind
inzwischen zur Weltspitze im Marathonläufen aufgestiegen, sind zumindest für den einen
oder anderen Tagessieg gut. Laufen im Sommer
auf der Straße, in den Wintermonaten querbeet durch das Gelände. Im Training wie
auch bei Wettkämpfen. Ausgefuchste Trainer raten dies selbst
den sensiblen Mittelstrecklern wie Nils Schumann
oder Andre Bucher. Was ist nun das Besondere
am Crosstraining? Weshalb ist dies auch für Marathonläufer unterschiedlicher Güteklasse sinnvoll?
Die Pluspunkte:
Schulung von koordinativen Fähigkeiten
Verbesserung der Schnelligkeit
Willensschulung
Verbesserung der Ausdauer und Kraftausdauer
Stärkung von Sehnen, Bändern und Gelenken
Die hier genannten Punkte sind ernst zu nehmende Eckpfeiler eines ausgewogenen Langstrecken- und Marathontrainings, dessen Basis natürlich die Verbesserung der Ausdauerplattform ist.
Gemäß dem Ganzheitsprinzip spielen diese Komponenten eine wesentliche Rolle, sind Garanten für
eine den eigenen Anforderungen gerecht werdende individuelle Leistungsfähigkeit.
An anderer Stelle in diesem Buch weisen wir ausführlich auf diese einzelnen Eckpfeiler hin, stellen
spezielle Übungen zur Verbesserung der Lauftechnik und sinnvolle Dehnungs- und
Kräftigungsübungen vor. Das Crosstraining oder Crossläufen
verbindet diese Elemente in größtmöglichem
Maße. Natürlich hängt dies von der Beschaffenheit des Streckengeländes ab.
Kniehohes Gras auf naurbelassener Wiese, knöcheltiefer Morast auf umgepflügtem Acker oder unebene Sandpassagen
auf Reiterwegen bedingen einen wesentlich stärkeren Kniehub, als es festgefahrene, zumeist noch
bekieste Waldwege oder gar asphaltierte Straßen
erforderlich machen. Der längst eingefahrene "Schleichschritt", das
vermeintliche Energiesparmodell des Marathonläufers, muss abrupt verändert werden, wenn man nicht hoffnungslos auf
derartigen Passagen ins Hintertreffen geraten will. Unwillkürlich wird aus einem
monotonen Samstagnachmittagslauf ein kraftintensives, koordinativ
anspruchsvolles "Trailrunning". Die Ansprüche an
den Laufstil, an den Muskel- und Sehnenapparat
wechseln von Kilometer zu Kilometer.
Natürlich steigen bei einem derartig variabel angelegten Training auch die
Ansprüche an das Schuhmaterial. Alle gängigen Sportschuh-Hersteller sind längst
auf diesem Sektor aktiv geworden. Die Modelle unterscheiden sich eigentlich nur geringfügig,
haben sie doch bei allen trennenden Details eines
gemeinsam, nämlich das wasserfeste Obermaterial
im Verbund mit einem derben Profil und der entsprechenden Dämpfung.
Aus der gleichförmigen Muskelbelastung für unseren Bewegungs- und Stützapparat wird beim
Crossläufen ein höchst anspruchsvolles, komplexes Training. Je stärker die Fußgelenke ausgebildet
sind, desto geringer werden die Belastungen auf unsere Unterschenkelmuskulatur
und die Achillessehne. Wenn allmählich die Kraft schwindet, wenn
erste Anzeichen von Resignation aufkommen,
dann beginnt das psychologische Training. Nur mit gestärkter Willenskraft lässt
sich nämlich die Gelandetortur überstehen, kann aber auch die
Schwächephase beim Marathonlauf überstanden
werden.
Crossläufen bietet sich
natürlich in der marathonarmen Zeit von November bis März an, in der sich der
Organismus nach einer ausreichenden Regeneration auf das systematische Vorbereitungstraining für einen Frühjahrsmarathon einstellen soll.
Wer neben dem Querfeldein-Training auch -Wettkämpfe bestreiten möchte, der findet quer durch
die deutschen Lande ein ansprechendes Angebot
mit über 100 Veranstaltungen, an dessen Spitze
die Wettbewerbe im Deutschen Cross-Cup stehen
- einer Veranstaltungsreihe in Walldorf, Darmstadt, Köln und Neuss. Wesentlich
härter als auf deutschem Boden geht es in Großbritannien, Belgien
und Frankreich zu, den Mutterländern des Cross-Country-Laufens. Tiefes, unebenes Gelände mit
spektakulären, technisch anspruchsvollen Passagen sind dort an der Tagesordnung und sorgen für
eine große Popularität. Teilnehmerfelder wie bei
größeren Stadtmarathonläufen sind dabei keine
Seltenheit.
Radfahren, Mountainbiken
Das Rad ist das nahe
liegende Alternativ- oder Zusatzgerät, auch wenn streckenbezogen die Kraftausdaueranforderungen unterschiedlich sind.
Selbst intensive Trainingseinheiten auf dem Rad
stellen im Vergleich zu Laufeinheiten eine Reduzierung der Belastung auf den
Stütz- und Bewegungsapparat dar, ebenso mindern sie die Gefahr von Übertraining.
Das Rad als alternatives Trainingsmittel bietet Vielseitigkeit, Ideenreichtum und Individualität. Für schwere Läufer (auch für Laufeinsteiger)
ist es ein hervorragendes Training, um die Belastung des Stütz- und
Bewegungsapparates zu mindern. Einige Gesichtspunkte sind dabei besonders
wichtig:
Beliebtes Allwetter-Trainingsmittel, da inzwischen
viele Läufer bei schlechtem Wetter den Hometrainer in der warmen Wohnstube oder
im Fitness-Studio einem Lauf im Regen oder in der
Dunkelheit vorziehen. Bei schönem Wetter ist ein
Training an der frischen Luft natürlich vorzuziehen: Mehr und mehr bestimmt das Rad den
Straßenverkehr, durchaus ein Beleg für die Akzeptanz unter Ausdauersportlern.
Vor der Radbelastung sollte ein rhythmischer
(runder) Pedaltritt beherrscht werden.
Bergauffahren kommt einer
geländebetonten Belastung gleich. Fährt man im Wiegetritt (stehend)
bergauf, so arbeiten weitere Muskelgruppen mit,
man erreicht eine höhere Kreislaufbelastung und
mindert zudem die Belastung des Knies.
Bei einer möglichst hohen Trittfrequenz ist die
Belastung für die Gelenke (Knie) geringer. Bei
einer geringen Trittfrequenz wird ein stärkerer
Muskelquerschnitt antrainiert, der die Schnelligkeit der Beinmuskulatur vermindert. Durch eine
höhere Trittfrequenz wird auch eine höhere
Kreislaufbelastung erreicht.
Falsche Einstellungen von
Sattelhöhe und Automatikpedale können zu Verletzungen und Entzündungen führen.
Auch hier gilt die Faustregel: Kleine Umfange
können ein Mehr an Effektivität bedeuten. Vor
allem, wenn das Radtraining ungewohnt ist.
Bei Fußproblemen ist darauf zu achten, dass
Schuhe mit verfestigter Sohle verwendet werden.
Achtung bei Achillessehnenbeschwerden: Die
Ferse arbeitet am Pedal.
Ein Training mit dem Mountainbike ist nicht nur
in der Vorbereitungsperiode geeignet, in der
Ausdauer und Kraftausdauer im Vordergrund
stehen. Aufgrund der universellen Einsetzbarkeit
im Gelände lassen sich mit dem Mountainbike
auch Intensitäten trainieren. Der individuelle Spielraum wird im Gegensatz zum
Rennrad vergrößert.
__________________________________
Autor und Copyright: Ein Beitrag von Burkhard Swara - Laufshop "Düssel-Runner"
|
|