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Andreas Niedrig - Das Interview über die Verfilmung seiner Person
 
 
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03.03.2008  

 
 

 
   

Andreas Niedrig
 
wurde am 12 . Oktober 1967 in Recklinghausen geboren und hat es aus eigener und durch die Kraft seiner großen Liebe Sabine geschafft, aus einem hoffnungslos vertanen Leben, ein erfülltes zu machen.
 
1993 begann er mit dem Hochleistungssport und machte seit seinem 17. Platz beim Ironman Hawaii 1997 auch international Furore.
 
Er wurde einer der erfolgreichsten deutschen Triathleten. Nach einer lang anhaltenden schweren Verletzung hat sich Andreas Niedrig mit seiner Teilnahme am Rother Ironman, dem Quelle Challenge 2006, offiziell vom Leistungssport verabschiedet.
 
2007 hat er sich mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft beim Quelle Challenge in seiner Altersklasse zur Überraschung aller zurückgemeldet.
 
Der gelernte Orthopädiemechaniker hält heute Vorträge rund um das Thema Zielsetzung. Mit dem Prinzip „Zukunft“ zeigt er anschaulich, wie man selbst in schwierigen Lebenssituationen sein Leben aus eigener Kraft verändern kann.
 
Er lebt mit seiner Frau Sabine, mit der er seit 1988 verheiratet ist, und seinen beiden Kindern im Ruhrgebiet.
 
Seine persönliche Bestzeit beim Ironman: 8 Stunden, 3 Minuten und 54 Sekunden
 
 
Wie ist es überhaupt zu diesem Film gekommen?
 

Meine Lebensgeschichte Vom Junkie zum Ironman erschien 2000 zum ersten Mal. Ich wollte nicht allen Leuten meine Geschichte erzählen, das Buch ist viel mehr aus der Not entstanden: Ich bin in meinem Sport relativ schnell an die Spitze gestoßen und habe fast sieben Jahre zu den besten Triathleten der Welt gehört. Ich habe einen Weltrekord gebrochen, war Vizeweltmeister. Und mit den Erfolgen kamen die Medien und haben sich gefragt, woher ein so alter Kerl plötzlich, quasi aus dem Nichts, kommt. Der muss doch eine Vorgeschichte haben.
 
Ich komme aus einer kleinen Stadt mit 30.000 Einwohnern. Und einige von der schreibenden Presse dort kannten mich aus der Jugendzeit. Niemand wollte noch mal mit der Vergangenheit konfrontiert werden, meine Frau nicht, ich nicht, und wir hatten zu dem Zeitpunkt eine 13 -jährige Tochter, die von der Vergangenheit nichts wusste. Bald gab es Überschriften wie „Vom Kettenraucher zum Ironman“ und nach meinem 7. Platz in Hawaii wurde geschrieben: „Hollywood hätte die Story niemals besser schreiben können!“ Da wusste ich, dass da irgendwann mal stehen wird „Vom Junkie zum Ironman“. Da sagten wir uns, wir schreiben lieber selber, bevor über uns geschrieben wird.
 
Das Buch, das Jörg Schmitt-Kilian geschrieben hat, war ein riesiger Renner. Als es auf den Markt kam, haben sich alle Medien, vom Stern bis zum Spiegel, auf mich gestürzt. Ich wurde in TV-Sendungen eingeladen. Das fand ich erst hochinteressant, weil ich ja primär Sportler war und plötzlich im Mittelpunkt ganz anderer Interessen stand. Ich fand das ganz toll. Ich habe aber nicht gemerkt, was da wirklich so passiert ist: Ich bin nicht mehr der Sportler, sondern der Vorzeigejunkie der Nation geworden.
 
Ich habe in der Zeit alle meine Sponsoren verloren, aber drei Filmproduzenten wollten mit ganz konkreten Angeboten meine Lebensgeschichte kaufen. Ich habe schnell begriffen und gesagt „Das will ich nicht. Ich gebe meine Lebensgeschichte nicht einfach aus der Hand“, weil ich ja schon erlebt habe, was nach dem Buch passiert ist, und mir gar nicht vorstellen wollte, was nach einem Film passieren würde. Ich habe sogar das Buch vom Markt genommen, weil ich den Medienhype nicht mehr haben wollte. Und meine Sponsoren habe ich verloren, weil die sich mit der Geschichte nicht identifizieren konnten und ich es nicht geschafft habe zu vermitteln, dass ich ja kein Junkie mehr bin, ja im Gegenteil: ganz weit weg davon.
 
2003, als die ganze Geschichte wieder verebbt war, hat mich Fritjof Hohagen angerufen. Der war ein ganz offener Typ, der mich erst mal kennen lernen wollte, ohne gleich die Rechte zu wollen. Ich habe ihn einfach gebeten, bei mir vorbei zu kommen. Er hat mir von seiner Vision und ich habe ihm von meiner Vision erzählt: Durch die Veröffentlichung meiner Lebensgeschichte habe ich begriffen, dass man viel mehr machen kann als einfach nur ein Buch zu schreiben und damit ins Fernsehen zu gehen. Ich habe begriffen, dass man Menschen erreichen kann. Nicht nur, weil ich die Geschichte erzähle, sondern weil ich erzähle, wie schwer es war, herauszukommen, und wie schwer es war, wieder in die normale Gesellschaft zurückfinden.
 
„Leute, wenn ihr ein Ziel erreichen wollt, dann entwickelt eine Leidenschaft dafür, dann wird es keine Quälerei sein, weil ihr nicht das Gefühl habt, dass ihr etwas aufgeben müsst, um etwas zu erreichen. Ihr gewinnt ganz viel dazu!“ Mittlerweile habe ich drei bundesweite Projekte entwickelt, in denen ich wachzurütteln versuche: „Hey Leute, hebt euren Hintern, ihr habt euer Leben selbst in der Hand!“
 
Fritjof Hohagen hat sich also meine Träume angehört und ich mir seine. Und er hat mir versprochen: „Du wirst immer Mitspracherecht haben.“ So ist das Projekt gewachsen, er hat immer mit offenen Karten gespielt und ist einfach an mir drangeblieben und hat mich nie als den Superhelden, als Rocky verkauft, denn das bin ich nicht. Das hätte mich unnahbar gemacht, hätte mich total verbogen. Dann kam Adnan Köse mit ins Boot. Das ist auch so ein ganz verrückter Typ, den man wahnsinnig begeistern kann. Adnan hat sich so unglaublich reingekniet und mit so viel Herzblut daran gearbeitet. Er war immer wieder hier bei mir und bei meiner Familie. Ich war bei ihm in Dinslaken – und dabei ist wesentlich mehr entstanden als einfach so eine Zusammenarbeit.
 
 
Wie ist der Film persönlich bei Ihnen angekommen?
 
Mit sehr gemischten Gefühlen. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, konnte ich ihn gar nicht so recht beurteilen. Ich habe ja gewusst, dass mein Leben nicht so 1:1 darzustellen ist. Das funktioniert ja nicht. Trotzdem erzählt der Film in keiner einzigen Sequenz die Unwahrheit. Alles ist wahr, aber mit filmischen Mitteln anders komponiert. Für mich entspricht der Film der Realität, also der Wahrheit. Gerade die Zeit mit meinen Freunden finde ich extrem gut getroffen – beim Rohschnitt schon war ich einfach schockiert und hatte Angst vor der Reaktion der Menschen, wenn sie mich so sehen.
 
Dann gab es noch eine Abnahme des Films, bei der auch meine Frau dabei war. Ich war ja schon vorbereitet und nur gespannt auf ihre Reaktion. Und bei ihr war es wie bei mir. Sie wurde in die Vergangenheit zurückgeholt und hat nach der Vorstellung geweint, weil all die Erinnerungen wieder in ihr hochgekommen sind. Meine Frau hatte ja die schwerste Zeit, während ich drauf war und von allem nichts mitgekriegt habe, und wollte mir helfen und ist immer nur gegen die Wand gerannt. Und dann hatten wir eine große Vorstellung in Nürnberg mit meinem Sponsor und über 100 Geschäftsleuten, eine Art Vorpremiere: Das war einfach nur genial, wie die Leute auf den Film reagiert haben.
 
 
Hätten Sie das alles geschafft ohne Ihre Frau?
 
Nein. Ich bin sehr viel an Therapieplätzen unterwegs und habe dabei festgestellt, dass die Rückfallquoten nicht allein deshalb so hoch sind, weil es so schwer ist von der Droge wegzukommen, sondern weil sich die Abhängigen durch ihre Abhängigkeit jeden sozialen Halt zerstört haben. Wenn ich mir vorstelle, was ich damals alles gemacht habe, dass da überhaupt noch jemand zu mir gehalten hat, dann ist das unglaublich und ich bin mir nicht sicher, ob ich es ohne sie geschafft hätte.
Die meisten kommen nach der Therapie nach Hause und fallen genau in das Loch hinein, das sie verlassen haben. Ich hatte das Glück nach Hause zu kommen und jemanden zu haben, der mich auffing, nicht Dankbarkeit und Reue erwartete, sondern einfach sagte: „Jetzt fangen wir neu an.“ Aber irgendwann muss man dann auf eigenen Beinen stehen.
 
 
Sicher sind Sie schon oft mit der Ansage konfrontiert worden, dass Sie eine Sucht gegen eine andere, nämlich den Sport eingetauscht haben?
 
Das könnte man vielleicht denken. Aber das ist nicht so. Wenn sie mit etwas aufhören wollen, werden sie es nie schaffen, wenn sie sagen „So jetzt muss ich aber aufhören“. Sie müssen eine Leidenschaft für etwas anderes empfinden, um nicht das Gefühl zu bekommen, dass sie einen Verlust haben, weil sie jetzt aufhören, zum Beispiel mit der Zigarette. Dass sie nicht irgendwann mal da sitzen und sagen „Jetzt fehlt mir aber die Zigarette“. Sie müssen etwas anderes finden und es austauschen, um dann zu sagen „Ich habe etwas anderes, was viel schöner ist.“ Man kann den Sport überhaupt nicht mit der Droge vergleichen, denn bei der Droge, bei der Abhängigkeit, da bin ich, – das habe ich in der Therapie über mich selbst erfahren – ganz klar vor meinen Problemen und vor meinen Gefühlen weggelaufen. Ich habe es einfach nicht hingekriegt, meine Gefühle und meine Bedürfnisse auszudrücken – meine Bedürfnisse nach Liebe, nach Zuneigung, nach dem Gefühl ‚Ich möchte nicht alleine sein, helft mir doch‘. Beim Sport ist es etwas ganz anderes, beim Sport bewegst du dich auf etwas zu. Ich bewege mich zum Ziel hin. Und jedes Gefühl, was ich durch einen Zieleinlauf bekommen habe, kann ich heute jederzeit abrufen. In jedem Seminar, wenn ich vor 500, manchmal vor 1.000 Menschen spreche, bin ich unsicher. Dann denke ich an einen meiner Zieleinläufe und schaue mir die Menschen an, die mir zuhören, die sicher auch viele ungelebte Träume und Ziele haben, sich aber bis heute vielleicht nicht getraut haben, die Ziele auch zu leben. Das macht mich in diesem Moment unglaublich stark und selbstbewusst.
 
Wenn ich mir in diesem Moment der Unsicherheit sagen würde, ach war das geil damals, Heroin zu drücken, hätte ich sicherlich kein so positives Gefühl. Damals war das natürlich anders, als wir angefangen haben zu konsumieren – das war schon ein geiles Lebensgefühl. Ich glaube, das vermittelt der Film auch ganz gut. Wir sind im Film auch viel mehr an die Menschen herangegangen, die mein Leben begleitet haben. Das habe ich in meinem Buch nicht so gemacht, das war mehr die Erzählung meines Lebens aus meiner Sichtweise.
 
Als ich aus der Therapie kam, habe ich ja nicht direkt angefangen Sport zu treiben, das kam erst sehr, sehr viel später. Als ich aus der Therapie kam, hatte ich noch vier Jahre Knast offen, weil ich die Therapie ja abgebrochen hatte und dann das Riesenproblem, eine Staatsanwältin davon zu überzeugen, dass sie mich nicht in den Knast steckt. Ich musste alle Menschen immer wieder davon überzeugen, mir eine Chance zu geben. Ich hatte ja nichts vorzuweisen: 9. Klasse Hauptschulabschluss, eine Therapie, die ich abgebrochen habe, zig Ausbildungen, die ich abgebrochen habe, Handelsschule, abgebrochen – und die vier Jahre Knast offen. Wenn Sie sich so irgendwo vorstellen, haben Sie keine Chance, selbst den letzten Hilfsarbeiterjob kriegen Sie nicht. Ich musste einfach lernen und versuchen, die Menschen so von mir zu überzeugen, dass die begreifen, dass ich tatsächlich will. Dann kam irgendwann der Sport, da war ich schon vier Jahre aus der Therapie, hatte meinen Schulabschluss nachgeholt und die Ausbildung zum Orthopädiemechaniker abgeschlossen. Da habe ich gemerkt, dass ich ganz intensiv mich und meinen Körper wieder spürte. Was jahrelang nicht der Fall war, weil ich sehr verkopft unterwegs gewesen bin, um wieder klarzukommen. Alles, was man jahrelang nicht gebraucht zu haben schien, die Lungen, die Muskeln – alles spürt man so intensiv, dass man sich sagt, dass man daraus noch sehr viel mehr machen kann. Dann fing ich also an zu laufen.
  
Ich finde es gut, wie in dem Film das schöne Gefühl dargestellt wird, wenn die Bilder wiederkommen, die Flashbacks von dem, was man damals alles so gemacht und erlebt hat. Ich glaube mein erstes Leben macht mich heute stark, weil ich weiß, dass nichts Schlimmeres kommen kann als das, was ich schon erlebt habe.
 
 
Was haben Sie heute für ein Verhältnis zu Ihren Eltern, die ja einiges mitgemacht haben mit Ihnen?
 
Ich glaube, die Situation meiner Eltern ist in dem Film sehr gut dargestellt. Mein Vater war als Polizist ein ‚harter Knochen‘ – die Geschichte, die im Film erzählt wird, von dem Terroristen, den er damals im Kino festgenommen hat, diese Geschichte stimmt tatsächlich. Aber es war einfach so, dass mein Vater und ich es nicht hinbekommen haben, uns mitzuteilen – weder in der Zeit, als ich abhängig war, noch kurz danach, so bedürftig wir auch waren. Wir haben immer nur gegeneinander gekämpft. Und das glaube ich, sagt der Film auch aus. Heute ist die Beziehung zu meinen Eltern sehr gut. Sie war ja auch nie richtig schlecht, aber wir haben damals halt nie eine gemeinsame Sprache gefunden. Und heute sitzen wir zusammen und alles ist gut. Im letzten Jahr sind wir in Berlin zusammen Marathon gelaufen, mit meiner Schwester. Mein Vater ist jetzt in Pension, meine Eltern sind sehr sportlich und unternehmungslustig und kommen uns regelmäßig besuchen. Wir haben ein ganz normales Familienleben.  Genau so schön spießig, wie man sich das nur vorstellen kann.
 
 
Wie war Ihre Begegnung mit Max Riemelt und den anderen Schauspielern?
 
Es war ja lange die Frage, wer die Rolle spielen soll, der Favorit meiner Frau war immer Max Riemelt, wir haben uns gemeinsam Napola angeschaut und fanden ihn wirklich genial. Und es ist dann tatsächlich so gekommen. Wir haben uns kennen gelernt und sind auf Lanzarote auch mal zusammen gelaufen, und ich hatte mir vorgenommen, ihn mal ein bisschen platt zu machen. Aber der ist tatsächlich eine Stunde gelaufen und das verdammt flott, das muss man erst mal durchhalten, der Typ ist richtig fit. Max ist fantastisch. Nicht nur, wie er die Rolle gespielt hat, ich schätze ihn auch als Menschen. Ich habe ihn als jemanden kennen gelernt, der das Leben stark hinterfragt und sich nicht nur einfach als toller Schauspieler fühlt. Er steht voll im Leben, ist nicht abgehoben – einfach ein toller Typ. Genau so begeistert bin ich von Jasmin Schwiers. Die haben einfach super zusammen gepasst, die beiden. Alle waren richtig toll; ob das der Udo Schenk war, der Ingo Naujoks, die Leslie Malton … Ich glaube, dass einfach alle das Drehbuch richtig gut gefunden haben.





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