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Joggen macht high - und schmerzfrei |
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Prof. Boecker instruiert
einen der untersuchten Läufer |
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Forscher weisen erstmals die
Ausschüttung körpereigener Opioide im Gehirn beim Ausdauerlauf nach
Weltweit sind sich Laien,
Experten und Medien einig: Ausdauerndes Joggen hebt die Stimmung. Und viele
glauben, dass körpereigene Opioide, so genannte Endorphine, dafür verantwortlich
sind. Der Beweis dafür konnte allerdings nie erbracht werden - bis jetzt:
Forschern der Technischen Universität München und der Universität Bonn ist es
erstmals gelungen, die Ursache des beim Langstreckenlauf auftretenden
Hochgefühls - auch Runner`s High genannt - zu belegen. Sie konnten in einer
bildgebenden Studie bei Athleten nach zweistündigem Joggen erstmalig eine
erhöhte Ausschüttung von Endorphinen in bestimmten Gehirnregionen nachweisen.
Ihre Ergebnisse sind auch für Patienten relevant, die unter chronischen
Schmerzen leiden: Die körpereigenen Opiate werden nämlich auch in Hirnbereichen
ausgeschüttet, die an der Unterdrückung von Schmerzen beteiligt sind. Damit
zeigen die Forscher, die auch Mitglieder des Deutschen Forschungsverbundes
Neuropathischer Schmerz (DFNS) sind, der vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) gefördert wird, dass Joggen nicht nur high macht, sondern auch
Schmerzen lindern kann. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift "Cerebral
Cortex" erschienen.
Das Runner`s High
Ausdauersport steht seit
langem für Stressabbau, Angstlösung, Stimmungsaufhellung und verminderte
Schmerzwahrnehmung. Für das mit dem Ausdauerlauf einhergehende Hochgefühl wurde
gar eine eigene Umschreibung - Runner`s High - geschaffen. Die Ursache dieser so
positiven Wirkungen auf die Befindlichkeit war aber bislang ungeklärt. Die
beliebteste Theorie war und ist die "Endorphin-Hypothese", die eine vermehrte
Ausschüttung körpereigener Opioide im Gehirn mutmaßte. Da ein direkter Nachweis
dieser Theorie jedoch aus technischen Gründen bis heute nicht erbracht werden
konnte, löste sie in der wissenschaftlichen Fachwelt stets kontroverse
Diskussionen aus. Demgemäß lebte der Mythos "Runner`s High durch Endorphine"
weiter.
Erstmals belegen Forscher die Endorphin-Hypothese
Forscher der Nuklearmedizin,
Neurologie und Anästhesie der Technischen Universität München sowie der
Universität Bonn haben die Endorphin-Theorie jetzt genauer unter die Lupe
genommen. Dabei wurden zehn Athleten jeweils vor und nach einem zweistündigen
Langstreckenlauf mit dem bildgebenden Verfahren der
Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht. Sie setzten dazu die
radioaktive Substanz [18F]Diprenorphine ([18F]FDPN) ein, die im Gehirn an
Opiat-Rezeptoren bindet und dabei in Konkurrenz zu Endorphinen tritt. "Je mehr
Endorphine im Gehirn des Athleten ausgeschüttet werden, desto mehr
Opiat-Rezeptoren werden besetzt", erklärt Professor Dr. Henning Boecker, der die
Studie an der TU München koordiniert hat und jetzt den Bereich "Klinische
Funktionelle Neurobildgebung" der Radiologischen Universitätsklinik Bonn leitet.
Und weiter: "Entsprechend geringer sind die Chancen für das [18F]FDPN, ebenfalls
an den Opiat-Rezeptoren zu binden." Im PET-Bild lässt sich die [18F]FDPN-Bindung
sichtbar machen: Durch Vergleich der Bilder vor und nach einem zweistündigen
Dauerlauf ermittelten die Forscher eine signifikant verminderte Bindung von
[18F]FDPN. Das spricht im Umkehrschluss für eine vermehrte Ausschüttung
körpereigener Opioide beim Ausdauerlauf. "Damit haben wir nun erstmals Belege
dafür finden können, wo und in welchem Ausmaß bei Ausdauerbelastung Endorphine
im Gehirn freigesetzt werden", so Boecker. "Interessanter Weise fanden wir
Endorphinfreisetzungen vorwiegend in Bereichen des Frontallappens der
Großhirnrinde und des so genannten limbischen Systems, beides Gehirnregionen,
die eine Schlüsselrolle in der emotionalen Verarbeitung innehaben. Darüber
hinaus konnten wir signifikante Veränderungen des Hoch- und Glücksgefühls nach
dem Ausdauerlauf feststellen." Dazu Professor Dr. Thomas Tölle, der seit vielen
Jahren eine Forschungsgruppe "Funktionelle Bildgebung bei Schmerz" an der TU
München leitet: "Unsere Auswertungen zeigen, dass das erlebte Hochgefühl umso
intensiver war, je geringer die [18F]FDPN Bindung in der PET-Messung war. Das
bedeutet, dass das Ausmaß des Hoch- und Glücksgefühls nach dem Ausdauerlauf mit
der Menge der ausgeschütteten Endorphine korrelierte." Als Sprecher des
Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS) freut er sich
zusätzlich für die chronischen Schmerzpatienten: "Dass die Endorphine auch in
Hirnregionen freigesetzt werden, die eine zentrale Bedeutung für die
Schmerzunterdrückung besitzen, war nicht ganz unerwartet, aber auch dieser
Nachweis stand aus. Jetzt bleibt zu hoffen, dass diese Bilder auch unsere
Schmerzpatienten beeindrucken und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Aufnahme von
Ausdauertraining motivieren. "
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Die Abbildung zeigt fünf
aufeinanderfolgende Hirnschnitte. Die Hirnbereiche, in denen nach einem
Ausdauerlauf körpereigene Opiate freigesetzt und gebunden wurden, sind
farblich hervorgehobenen. Der Effekt ist vor allem in den Regionen a, b
und c sichtbar, die eine wichtige Rolle bei der Emotionsverarbeitung
spielen. Die Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass die subjektiv
empfundene Euphorie im untersuchten Läuferkollektiv umso größer ist, je
stärker in den Regionen a, b und c Endorphine freigesetzt werden. |
Sich schmerzfrei Laufen?
Bekanntermaßen fördern
Endorphine die körpereigene Schmerzunterdrückung, indem sie die
Schmerzweiterleitung und -verarbeitung in den Nervenbahnen und im Gehirn
beeinflussen. Die vermehrte Produktion von Endorphinen durch Ausdauerlauf könnte
dem Körper also auch als körpereigenes Schmerzmittel dienen. Eine therapeutische
Option, die nicht nur für den DFNS interessant ist. "Wir sind nun sehr gespannt
auf die Ergebnisse einer Bildgebungsstudie mit der funktionellen
Magnetresonanztomographie, die wir momentan in Bonn durchführen, um den Einfluss
von Ausdauerlauf auf die Schmerzverarbeitung direkt zu untersuchen", sagt
Boecker. Um die genauen Auswirkungen auf Depression und Angstzustände, aber auch
auf mögliche Sucht fördernde Aspekte durch Langstreckenlaufen festzustellen,
sind jedoch weitere Studien nötig. An der TU München wird deswegen
augenblicklich der Zusammenhang zwischen genetischer Disposition und
Opiatrezeptorverteilung im Gehirn untersucht. "Eine gespenstische Vorstellung",
so Tölle, "wenn wir liefen, weil unsere Gene das so wollen". Der erste Schritt
zur Erforschung dieser Zusammenhänge ist jetzt getan.
Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB 391, TP C9 Tölle,
Boecker: "Integration nociceptiver Signale im ZNS des Menschen") sowie das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Deutschen
Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) gefördert.
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Autor und Copyright: Neurologische Klinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
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