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Joggen macht high - und schmerzfrei
 
 
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04.03.2008  

 
 

 
Prof. Boecker instruiert einen der untersuchten Läufer  
Forscher weisen erstmals die Ausschüttung körpereigener Opioide im Gehirn beim Ausdauerlauf nach
 

Weltweit sind sich Laien, Experten und Medien einig: Ausdauerndes Joggen hebt die Stimmung. Und viele glauben, dass körpereigene Opioide, so genannte Endorphine, dafür verantwortlich sind. Der Beweis dafür konnte allerdings nie erbracht werden - bis jetzt: Forschern der Technischen Universität München und der Universität Bonn ist es erstmals gelungen, die Ursache des beim Langstreckenlauf auftretenden Hochgefühls - auch Runner`s High genannt - zu belegen. Sie konnten in einer bildgebenden Studie bei Athleten nach zweistündigem Joggen erstmalig eine erhöhte Ausschüttung von Endorphinen in bestimmten Gehirnregionen nachweisen. Ihre Ergebnisse sind auch für Patienten relevant, die unter chronischen Schmerzen leiden: Die körpereigenen Opiate werden nämlich auch in Hirnbereichen ausgeschüttet, die an der Unterdrückung von Schmerzen beteiligt sind. Damit zeigen die Forscher, die auch Mitglieder des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS) sind, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, dass Joggen nicht nur high macht, sondern auch Schmerzen lindern kann. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift "Cerebral Cortex" erschienen.
 
Das Runner`s High
 
Ausdauersport steht seit langem für Stressabbau, Angstlösung, Stimmungsaufhellung und verminderte Schmerzwahrnehmung. Für das mit dem Ausdauerlauf einhergehende Hochgefühl wurde gar eine eigene Umschreibung - Runner`s High - geschaffen. Die Ursache dieser so positiven Wirkungen auf die Befindlichkeit war aber bislang ungeklärt. Die beliebteste Theorie war und ist die "Endorphin-Hypothese", die eine vermehrte Ausschüttung körpereigener Opioide im Gehirn mutmaßte. Da ein direkter Nachweis dieser Theorie jedoch aus technischen Gründen bis heute nicht erbracht werden konnte, löste sie in der wissenschaftlichen Fachwelt stets kontroverse Diskussionen aus. Demgemäß lebte der Mythos "Runner`s High durch Endorphine" weiter.
 
Erstmals belegen Forscher die Endorphin-Hypothese
 
Forscher der Nuklearmedizin, Neurologie und Anästhesie der Technischen Universität München sowie der Universität Bonn haben die Endorphin-Theorie jetzt genauer unter die Lupe genommen. Dabei wurden zehn Athleten jeweils vor und nach einem zweistündigen Langstreckenlauf mit dem bildgebenden Verfahren der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht. Sie setzten dazu die radioaktive Substanz [18F]Diprenorphine ([18F]FDPN) ein, die im Gehirn an Opiat-Rezeptoren bindet und dabei in Konkurrenz zu Endorphinen tritt. "Je mehr Endorphine im Gehirn des Athleten ausgeschüttet werden, desto mehr Opiat-Rezeptoren werden besetzt", erklärt Professor Dr. Henning Boecker, der die Studie an der TU München koordiniert hat und jetzt den Bereich "Klinische Funktionelle Neurobildgebung" der Radiologischen Universitätsklinik Bonn leitet. Und weiter: "Entsprechend geringer sind die Chancen für das [18F]FDPN, ebenfalls an den Opiat-Rezeptoren zu binden." Im PET-Bild lässt sich die [18F]FDPN-Bindung sichtbar machen: Durch Vergleich der Bilder vor und nach einem zweistündigen Dauerlauf ermittelten die Forscher eine signifikant verminderte Bindung von [18F]FDPN. Das spricht im Umkehrschluss für eine vermehrte Ausschüttung körpereigener Opioide beim Ausdauerlauf. "Damit haben wir nun erstmals Belege dafür finden können, wo und in welchem Ausmaß bei Ausdauerbelastung Endorphine im Gehirn freigesetzt werden", so Boecker. "Interessanter Weise fanden wir Endorphinfreisetzungen vorwiegend in Bereichen des Frontallappens der Großhirnrinde und des so genannten limbischen Systems, beides Gehirnregionen, die eine Schlüsselrolle in der emotionalen Verarbeitung innehaben. Darüber hinaus konnten wir signifikante Veränderungen des Hoch- und Glücksgefühls nach dem Ausdauerlauf feststellen." Dazu Professor Dr. Thomas Tölle, der seit vielen Jahren eine Forschungsgruppe "Funktionelle Bildgebung bei Schmerz" an der TU München leitet: "Unsere Auswertungen zeigen, dass das erlebte Hochgefühl umso intensiver war, je geringer die [18F]FDPN Bindung in der PET-Messung war. Das bedeutet, dass das Ausmaß des Hoch- und Glücksgefühls nach dem Ausdauerlauf mit der Menge der ausgeschütteten Endorphine korrelierte." Als Sprecher des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS) freut er sich zusätzlich für die chronischen Schmerzpatienten: "Dass die Endorphine auch in Hirnregionen freigesetzt werden, die eine zentrale Bedeutung für die Schmerzunterdrückung besitzen, war nicht ganz unerwartet, aber auch dieser Nachweis stand aus. Jetzt bleibt zu hoffen, dass diese Bilder auch unsere Schmerzpatienten beeindrucken und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Aufnahme von Ausdauertraining motivieren. "
 
Die Abbildung zeigt fünf aufeinanderfolgende Hirnschnitte. Die Hirnbereiche, in denen nach einem Ausdauerlauf körpereigene Opiate freigesetzt und gebunden wurden, sind farblich hervorgehobenen. Der Effekt ist vor allem in den Regionen a, b und c sichtbar, die eine wichtige Rolle bei der Emotionsverarbeitung spielen. Die Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass die subjektiv empfundene Euphorie im untersuchten Läuferkollektiv umso größer ist, je stärker in den Regionen a, b und c Endorphine freigesetzt werden.
 
Sich schmerzfrei Laufen?
 
Bekanntermaßen fördern Endorphine die körpereigene Schmerzunterdrückung, indem sie die Schmerzweiterleitung und -verarbeitung in den Nervenbahnen und im Gehirn beeinflussen. Die vermehrte Produktion von Endorphinen durch Ausdauerlauf könnte dem Körper also auch als körpereigenes Schmerzmittel dienen. Eine therapeutische Option, die nicht nur für den DFNS interessant ist. "Wir sind nun sehr gespannt auf die Ergebnisse einer Bildgebungsstudie mit der funktionellen Magnetresonanztomographie, die wir momentan in Bonn durchführen, um den Einfluss von Ausdauerlauf auf die Schmerzverarbeitung direkt zu untersuchen", sagt Boecker. Um die genauen Auswirkungen auf Depression und Angstzustände, aber auch auf mögliche Sucht fördernde Aspekte durch Langstreckenlaufen festzustellen, sind jedoch weitere Studien nötig. An der TU München wird deswegen augenblicklich der Zusammenhang zwischen genetischer Disposition und Opiatrezeptorverteilung im Gehirn untersucht. "Eine gespenstische Vorstellung", so Tölle, "wenn wir liefen, weil unsere Gene das so wollen". Der erste Schritt zur Erforschung dieser Zusammenhänge ist jetzt getan.
 
Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB 391, TP C9 Tölle, Boecker: "Integration nociceptiver Signale im ZNS des Menschen") sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) gefördert.




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Autor und Copyright: Neurologische Klinik und Poliklinik Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München


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