"Die Krankheit soll nicht mein Leben diktieren"
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Phidippides war platt. 42,195 Kilometer war er durch die sengende
griechische Sommerhitze des Jahres 490 vor Christus gehetzt, um Athen die
frohe Kunde vom Sieg der Griechen gegen die übermächtigen Perser in der
Schlacht nahe des Dörfchens Marathon zu überbringen. Wir haben gesiegt,
presste der flinke Grieche noch aus seinen Lungen, bevor er auf der Stelle
starb.
Heute, gut zweieinhalb Jahrtausende später, ist die Bewältigung der für
unseren tapferen Phidippides noch im Wortsinne mörderischen Distanz längst
zum Volkssport geworden. Bei Dutzenden von Veranstaltungen, vom Hamburger
Alstermarathon bis zum Würzburger Stadtmarathon, schnüren allein in
Deutschland Abertausende die Laufschuhe, um sich auf die Spur des tapferen
Griechen zu begeben.
Einer von ihnen ist Thorsten Figge. Nachdem er bereits in Köln, Frankfurt
und Florenz an den Start gegangen war, erfüllt sich der 32-Jährige im
November den ganz großen Sportlertraum: den New-York-Marathon, die Mutter
aller Marathonläufe der Neuzeit. Das Besondere: Thorsten Figge ist
Diabetiker, kann nur mit täglichen Insulin-Spritzen überleben.
Rückblende, Frühjahr 1991. Thorsten Figge fühlt sich schlapp. Den künftigen
Bauingenieur plagt ein enormes Durstgefühl, ständig rennt er zur Toilette.
Binnen weniger Monate verliert der junge Mann 26 Kilo Körpergewicht. Im Mai
dann die niederschmetternde Diagnose: Diabetes Typ 1. Zucker? Thorsten hatte
keine Ahnung, was das für ihn bedeutete. Anfangs habe ich sogar geglaubt,
dass ich jetzt nie mehr ins Kino gehen kann, erinnert er sich an den Schock
der Diagnose.
Dann aber erwachte sein Kampfgeist. Ich wollte einfach nicht akzeptieren,
dass die Krankheit jetzt mein Leben diktieren sollte, sagt Figge heute. Er
kam ins Düsseldorfer Diabetes-Forschungsinstitut, wo Experten seinen
Stoffwechsel einstellten, ihm beibrachten, wie er mit der Krankheit leben
kann. Vor vier Jahren dann begann Figge mit einem von Sportärzten und
Lauftrainern begleiteten Lauftraining. Das ehrgeizige Ziel: in neun Monaten
zum Marathon!
Zeitsprung: New York, November 2002. Thorsten Figge läuft durch die Straßen
der Metropole. Das Echo der begeisterten Anfeuerungen von zweieinhalb
Millionen Menschen hallt von den Häuserschluchten wider. Nach einer halben
Stunde stoppt der Deutsche erstmals, zieht ein kleines Gerät aus seiner
Bauchtasche. Es ist das Ascensia DEX 2 von Bayer HealthCare, mit dem Figge
seinen Blutzuckerspiegel misst. Das Gerät enthält eine Disc mit zehn
Sensoren, ganz ohne lästiges Rumfummeln kann ich damit zehn Mal messen.
Ein riesiger Vorteil Thorsten Figge weiß das am besten. Denn: Die enorme
körperliche Anstrengung des Laufs wirkt wie Insulin, verbraucht Zucker und
senkt seine Werte. Kontrolliert Figge nicht jede halbe Stunde seinen
Blutzucker, erkennt er eine möglicherweise drohende Hypoglykämie nicht. So
wie damals beim Marathon in Florenz. Damals hatte ich das Ascensia DEX 2
noch nicht, erinnert sich Figge. Einzelne Sensoren auspacken und jedes Mal
ins Gerät stecken, das habe ich während des Laufs nicht hingekriegt. Er
lief ohne Kontrolle los bei Kilometer 34 konnte er nur noch torkeln und
musste aufgeben.
In New York läuft`s anders. Nach 4:57 Stunden und 46 Sekunden reißt Figge
die Arme hoch - das Ziel! Was ich geschafft habe, kann jeder Diabetiker
schaffen, sagt Figge noch am gleichen Abend in einer New Yorker Musikbar,
wo er wie ein Held gefeiert wird. Mit der Krankheit muss man
verantwortungsbewusst umgehen ja! Aber sie darf das Leben nicht
beherrschen. |