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Detlev Ackermann

 
   
 
   
 
 

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Anmerkungen zur Glaubwürdigkeitskrise des Sports
 
 
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26.08.2009  

 
 

Zu Beginn dieses Artikels muss ein Geständnis stehen. Der Verfasser räumt ein, dass auch er wieder viele Fernsehübertragungen von der Tour de France gesehen hat. Nicht genug damit. Auch die Weltmeisterschaften der Leichtathleten waren Teil seines passiven Sportprogramms. Ein Sportinteressierter und praktizierender Breitensportler ist ohnehin immer aktiv dabei.
 
Schließlich ist die spannungsgeladene Verdichtung eines hochleistungssportlichen Wettkampfs in einen scheinbar einzigartigen und unwiederbringlichen Augenblick von derart großartiger Faszination und Emotionalität, dass selbst für viele streng rationale Sportsfreunde die so notwendigen Antworten auf die quälenden Fragen, warum beispielsweise ein unter schwer wiegendem Dopingverdacht stehender Fahrer die Tour gewinnen darf oder wie die schnellsten Frauen und Männer der Welt mit überhöhter Geschwindigkeit in rund 40 Schritten die 100 Meter der Tartanbahn mit durcheilen können, zunächst einmal irrelevant erscheinen. Dabei wird das Gefühl, zumal in sporthistorischen Momenten, eben mittendrin und nicht nur dabei zu sein, noch durch die aufwendigen technischen Möglichkeiten der medialen Übertragungen verstärkt. Selbst der Reporter des ZDF ließ sich nach dem 100-Meter-Lauf des Jamaikaners Usain Bolt von der allgemeinen Selbstbesoffenheit mitreißen und fragte rhetorisch, wen in diesem Moment eigentlich interessiert, wie dieser unglaubliche Weltrekord wohl zustande gekommen sein mag.
 
Genau hier aber beginnen jene Kernfragen, die das Selbstverständnis des Spitzensports im Besonderen, aber auch des Sports im Allgemeinen in seiner Vitalität berühren: Dürfen wir glauben, was wir sehen? Können wir bestimmte Leistungen ohne Weiteres als die Früchte eines harten Trainingsprogramms identifizieren? Kann eine sportliche Leistung tatsächlich so sein, wie sie eigentlich nicht sein kann? Wollen und sollen wir das glauben? Dass diese Fragen in den letzten Jahren immer unerbittlicher gestellt wurden, hat sich der Spitzensport selbst zuzuschreiben. Die vielfach auffallenden Lücken im weiten Zuschauerrund des Berliner Olympiastadions mögen auch als Indiz dafür gewertet werden können, dass die Distanz zwischen Spitzensportlern und ihrem Publikum mittlerweile so gewachsen ist, dass viele Sportbegeisterte eben nicht mehr bereit sind, die allgemeine Glaubwürdigkeitskrise des Spitzensports mit dem Kauf teurer Eintrittsbillets zu unterstützen.
 
Soll sich der leistungs- und hochleistungsorientierte Sport aber nicht noch weiter von seinem Wert und Sinn verabschieden, müssen die bohrenden Fragen nach der Glaubwürdigkeit sportlicher Leistungen und Trainingsmethoden immer wieder von Neuem gestellt werden - gerade weil es eben derzeit keine befriedigenden Antworten darauf gibt und die so notwendige Selbstreinigung des Sports, zumal bestimmter Kernsportarten, im Einzelnen nur unzureichend oder gar nicht stattfindet. Die spontane Freude über die aktive oder innere Teilnahme an einer der schönsten Nebensachen der Welt wird von der Schere im Hinterkopf abgeschnitten. Natürlich: Den Einsatz unerlaubter Mittel hat und wird es immer wieder geben. Die zur inoffiziellen Leistungsschau der Pharmaindustrie verkommene Tour de France oder die unappetitlichen Methoden der Jahre lang ach so unverdächtigen Reiter sind nur besonders prominente Beispiele für die Fülle von Unfairness und Sportbetrug, wie es sie wohl schon in der Antike gegeben hat. Dass sich die - vorerst vorläufige - Siegerin des 800-Meter-Laufs der Frauen eingehender Untersuchungen zur eindeutigen Identifizierung ihrer unverwechselbaren Weiblichkeit unterziehen lassen muss, mag da noch als pikante Skurrilität schubladisiert werden können.
 
Gleichwohl: Umso wichtiger ist es, die in den vergangenen Jahren so sehr erschütterte Überzeugung von den Grundwerten des Sports sowie den mittlerweile zur Hoffnung degradierten Glauben, dass sich die immer noch weit überwiegende Mehrheit der Sportler eben zu diesen bekennt, wiederherzustellen und den Sport aus seiner Sinnkrise zu führen. Die Bereitschaft zu diszipliniertem Training und gesundem Leistungswillen, der ehrliche Umgang miteinander, der faire und saubere Wettkampf um das beste Ergebnis, die Akzeptanz eines verbindlichen Regelwerks sowie persönliches Engagement bis hin zur Vorbildfunktion sind konstitutive Werte eines sportlichen Selbstverständnisses, an denen sich auch eine Gesellschaft orientiert und mit denen sie eben - freilich unter weiteren Wertmaßstäben - zu einem hohem Maß zusammengehalten wird. Darin liegt die gesellschaftliche Bedeutung und Verantwortung des Sports mit seinen vielfältigen sozialen, integrativen und kommunikativen Potenzialen.
 





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Autor und Copyright: Constantin Graf von Hoensbroech für Laufen-in-Koeln

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