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Weit mehr als eine Millionen
Freizeitsportler in Deutschland begehen Medikamentenmissbrauch, um ihre Fitness
zu steigern oder ihre Körperoptik aufzupolieren. Davon geht der
Sportwissenschaftler Mischa Kläber vom Institut für Sportwissenschaften der TU
Darmstadt aus, der in seiner Studie erstmals zeigt, dass Fitnessstudios und
Sportvereine oft regelrechte Verschiebebahnhöfe für Dopingmittel sind.
Das gilt auch für sogenannte Gesundheitsstudios, die mit medizinischer Betreuung
und Rehabilitationsmaßnahmen werben. "Die Dopingsituation im Freizeit- und
Breitensport hat sich in den letzten Jahren stark zugespitzt", konstatierte der
Darmstädter vor kurzem vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages, von dem
er als Experte zum Thema befragt wurde. "In Fitness- und Bodybuildingstudios
finden sich oft gut organisierte Doping-Netzwerke, die die Neulinge einweisen,
ihnen Know-how und Medikamente verschaffen und auch im Injizieren der Mittel
unterweisen." Dopende Freizeitsportler sind also keineswegs autonom handelnde
Individuen, wie bislang vermutet. Und wie schon aus dem Hochleistungssport
bekannt sind auch im Freizeitsport immer häufiger Ärzte und Apotheker in das
Geschäft mit den Medikamenten verwickelt.
Doping kann süchtig machen
In eine Doping-Spirale
rutscht man schneller als viele denken, denn die Werbemethoden in den Studios
sind massiv. Entsprechend weit verbreitet ist das Phänomen: Vermutlich greift
von den mittlerweile rund sieben Millionen Mitgliedern von Fitnesscentern
bereits jeder siebte zu legalen und illegalen Medikamenten, um seinen Körper zu
stählen. "Aufgrund der Verschwiegenheit der Szene gehe ich sogar noch von einer
weit höheren Zahl aus", vermutet der frühere Fitness-Trainer, der die
Untersuchung im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführte.
Vor allem Bodybuilder sind
gefährdet, denn sie machen ihren Trainingserfolg von ihrer Körperoptik abhängig,
und die lässt sich durch Medikamente wie Anabolika oder Wachstumshormone leicht
beeinflussen. "Manche Sportler dopen sich seit mehreren Jahrzehnten in
regelmäßigen Abständen, und sie scheinen damit ganz gut zu fahren", meint Kläber.
"Sie selbst argumentieren, dass sie ein gesünderes Leben als viele andere Bürger
führen, auf ausreichend Bewegung und eine gute Ernährung achten." Dann aber gibt
es auch Fälle, wie den eines inzwischen 44jährigen Users, der vor rund zehn
Jahren an Hodenkrebs erkrankte, eine mögliche Nebenwirkung des Anabolikakonsums.
"Nach der Operation und erfolgreichen Behandlung seiner Krebserkrankung hatte er
sich geschworen, mit dem Doping aufzuhören, aber schon drei Monate später war er
wieder in sein altes Dopingverhalten zurückgefallen. User können also eine
manifeste Suchtstruktur entwickeln, auch wenn das nicht zwangsläufig passiert."
Immer jüngere Einsteiger
Das Geschäft mit den
Dopingmitteln floriert und die "alten Hasen" rekrutieren den Nachwuchs unter
immer jüngeren Kunden von Fitnessstudios. In einer stark leistungsorientierten
Gesellschaft wie der unseren sind Jugendliche anfälliger, zudem werde der
Einstieg in den Medikamentenmissbrauch durch die zunehmende Bedeutung von
Nahrungsergänzungsmitteln erleichtert, so Kläber. "Man beginnt mit einer
Kreatin-Kur zur Steigerung der Muskelkraft und stößt damit womöglich eine
Dynamik an, bei dem die Ernährung immer einseitiger und radikaler wird. Zunächst
etabliert sich Stück für Stück eine Kurenlogik, und dann prägt sich oftmals eine
Dopingmentalität aus", warnt Kläber. Dann ist auch der Schritt hin zu Hormonen,
Stimulanzien und anderen illegalen Dopingmitteln nicht mehr weit.
Wer solche Medikamente testen
möchte, sucht jedoch häufig einen Arzt auf, um gesundheitliche Risiken zu
vermeiden. "Dopingwillige wollen ihre Kurpläne durch Erhebung von Blutbildern
und ärztliche Kontrolle absichern. Hat der Arzt Einwände, drohen sie damit, die
Kur ohne ärztliche Überwachung machen zu wollen. Damit stimmen sie
offensichtlich viele Mediziner um." Und wer einmal einen User betreut hat, wird
in der Szene gerne weiterempfohlen. Nicht selten wird ein Arzt so zu einem
festen Mitglied eines oder sogar mehrerer Doping-Netzwerke.
Aber auch Apotheker haben ihre
Finger in diesem lohnenden Geschäft. "Eine acht- bis zwölfwöchige Kur mit einem
Testosteronpräparat zum Beispiel kostet zwischen 100 und 600 Euro. Der Preis
hängt wesentlich davon ab, über wen man die Medikamente beschafft."
Es geht auch ohne Arzt
Ärzte und Apotheker sind
vergleichsweise sichere, aber auch teure Quellen. "Jugendliche können sich das
eher selten leisten, sie greifen häufiger zu den Billigangeboten von
zwielichtigen Parkplatzdealern oder aus dem Internet - selbst wenn erfahrene
User davor warnen." Die Beschaffung verbotener Substanzen im Internet ist
denkbar einfach.
"Dort wird Tacheles
gesprochen", weiß der Sportwissenschaftler, "man findet problemlos konkrete
Einnahmeempfehlungen und Dosierungsanleitungen, kann am freien
Erfahrungsaustausch teilhaben und hat zum Teil auch einfache Möglichkeiten, die
Medikamente zu erwerben und dann bequem und tiefgekühlt frei Haus geliefert zu
bekommen." Die Wahrscheinlichkeit, an gefälschte Medikamente zu geraten, ist
hier und bei den Hinterhofhändlern sehr hoch. Um dieses Risiko zu umgehen, dopt
sich so mancher lieber mit Tierarzneimitteln, die zudem noch deutlich günstiger
zu haben sind.
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Autor und Copyright: Jörg Feuck, Technische Universität Darmstadt
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