|
|
|
 |
 |
Nepper, Schlepper, Bauernfänger? |
|
Der Fachjournalist und
Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski
setzte sich kürzlich in einem Gast-Artikel für den Kopp-Verlag mit dem Thema
"Sponsorenläufe in der Schule" auseinander. Darin prangert er vor allem an, dass
Kinder hierfür zu Spendendrückern umfunktioniert werden. Ein Artikel, den wir an
dieser Stelle einfach mal unkommentiert aufzeigen und als Zitat verstanden haben
möchten:
Nepper, Schlepper,
Bauernfänger? "Sponsorenläufe" in der Schule
Gerhard Wisnewski
Der Sponsorenlauf der
Paul-Klee-Grundschule zu Berlin war wieder mal ein voller Erfolg, wie
man auf der Website der Lehranstalt nachlesen kann: "Bei herrlichem
Sonnenschein und traumhaften 27 Grad" starteten die Klassen "pünktlich
um 15:00 Uhr. Angefeuert wurden sie von den Eltern, zahlreichen
Verwandten, Bekannten und Freunden. Für die Stimmung sorgte unser
Musiklehrer Meinhard Ansohn, der mit Salsa- Samba - und Pop Musik die
Läufer und Läuferinnen außerordentlich unterstütze und gute Laune
verbreitete. Im Anschluss der Jüngeren Schüler machten sich mit viel
Beifall die 4. und 5. Klassen auf den 300 m langen Rundkurs"
(Rechtschreibung beibehalten).
Ein schöner Spaß. Dabei steht der Spaß nicht unbedingt im Vordergrund.
Denn jede gelaufene Runde eines Kindes ist bares Geld wert. Wie das
geht, erläuterte die Einladung zum Sponsorenlauf 2007: Demnach sollte
jeder Schüler "einen oder mehrere Sponsoren finden, die sich
verpflichten, pro gelaufener Runde einen Geldbetrag z.B. 50 Cent oder 1
zu spenden". Und: "Sponsor kann jeder werden: Mama, Papa, Oma, Opa,
Onkel, Tante, Nachbarn und wen es sonst noch alles im Bekanntenkreis
gibt. Am Ende werden die Runden addiert und im Anschluss wird der Betrag
gleich beim Kassenwart bezahlt" (Rechtschreibung beibehalten). Und wenn
bei einem solchen Sportfest auch noch Kaffee und Kuchen gereicht werden
(natürlich ebenfalls von der Elternschaft gespendet), klingelt es erst
so richtig in der Kasse. So nahm die Schule 2007 beispielsweise 7600
Euro durch den Spendenlauf und weitere 1700 Euro durch das Drumherum ein
- macht zusammen 9300 Euro. Kneifen gilt nicht, denn "der Sponsorenlauf
ist eine verpflichtende Schulveranstaltung. Wir möchten Sie daher
bitten, die Teilnahme Ihres Kindes zu ermöglichen, damit alle Kinder
ihren Beitrag leisten können." Und nicht vergessen: "Es sollte schon
gejoggt werden und kein Spaziergang sein."
Der ideale Spendendrücker
So ein "Sponsorenlauf"
ist auch deshalb eine tolle Sache, weil das Schulkind schließlich der
ideale Spendendrücker ist: Denn welcher Erwachsene wollte da schon als
Knauser dastehen? Welche Oma, Tante oder welcher Nachbar wäre wohl so
schofel, den kleinen Racker abblitzen zu lassen, wenn der um eine Spende
für seinen Sponsorenlauf bittet? Und welcher Schüler wollte sich beim
Sponsorenlauf schon für geizige Verwandte schämen? Also machen bei dem
Umsatzspielchen alle mit. Es tut ja auch gar nicht weh, denn es geht ja
nur um ein paar Cent oder einen Euro. Mancher ist vielleicht so
großzügig, gleich fünf Euro springen zu lassen - doch Vorsicht: Der
Betrag gilt, wie oben gesagt, pro gelaufener Runde! Manche Oma oder
mancher Opa hat schon nicht schlecht gestaunt, wenn aus seinen fünf Euro
plötzlich 50 wurden!
Nepper, Schlepper, Bauernfänger?
Ein Rückzieher ist
nicht drin, denn wohlweislich werden die Kinder dazu gebracht, die
"Spender" per Vertrag zu verpflichten, das "erlaufene" Vielfache des
zugesagten Betrages auch zu bezahlen. "Wenn ihr einen Sponsor gefunden
habt, gebt ihm den unteren Abschnitt dieses Zettels", heißt es
beispielsweise in einem Schreiben einer Berliner Grundschule an die
Schüler. Der "Zettel" ist der Sponsorenvertrag. Hier sollen Eltern,
Verwandte und Nachbarn eintragen, wie viel Geld sie pro gelaufener Runde
zahlen wollen: "Wenn der Zettel ausgefüllt wurde, gebt ihn bitte bei
eurer Klassenleiterin oder im Sekretariat der Schule ab." Natürlich
sollen die Kinder "so viele Sponsoren wie möglich" suchen: "Deshalb
müsst ihr den Zettel so oft kopieren, wie ihr ihn braucht oder bittet
eure Klassenleiterin darum." Je nachdem, wie der jeweilige
"Sponsorenvertrag" gestaltet ist, können durchaus mal Missverständnisse
über die letztlich zu zahlenden Beträge entstehen - etwa, wenn man den
Vertrag nicht richtig liest. Außerdem wirkt da natürlich der Charme der
niedrigen Zahl (pro gelaufener Runde).
Dass der einzelne
Sponsor dabei am Ende ordentlich zur Kasse gebeten werden kann,
erschließt sich - wenn überhaupt - erst auf den zweiten Blick. Besonders
clever ist beispielsweise die Hilfsorganisation Choose Life, die
Materialien für Sponsorenläufe an Schulen bereithält. Anders als in
anderen Sponsorenverträgen sieht man hier nur den Betrag pro gelaufener
Runde. Daneben gibt es noch ein Feld, in dem jeder Sponsor
unterschreibt, dass er die "unten stehenden Hinweise gelesen" hat. Dort
erfährt der Sponsor im Kleingedruckten, dass "die von Ihnen zugesagten
Spendenbeträge an den Veranstalter zu bezahlen" sind, und zwar "in
Abhängigkeit von der Zahl der Runden, welche die von Ihnen unterstützten
Laufteilnehmer erlaufen haben". Nur wenige Schulen und Organisationen
sind so freundlich, den Gesamtspendenbetrag zu deckeln: "Aus den
Erfahrungen der letzten Veranstaltung", schreibt etwa wohlweislich die
Realschule Adenau an die Eltern, "möchten wir den Höchstspendenbetrag
auf 20 beschränken und damit die freiwilligen Geldgeber vor "bösen
Überraschungen" bewahren".
Unterrichtsfach Geldsammeln
Kein Zweifel:
Geldeintreiben will gelernt sein. Keine (Geschäfts-) Idee wird
ausgelassen, um Angehörigen und Kindern Geld aus der Tasche zu ziehen.
Natürlich gehen für Sponsorenläufe häufig auch Unterrichtsstunden drauf.
In der Freizeit müssen die Schüler und Schülerinnen dagegen den
unvermeidlichen Holzengel für den Weihnachtsbasar zusammenkleben, dessen
Erlös einem "guten Zweck" zugutekommt, wie beispielsweise Hungernden in
Afrika, Fukushima- oder Tsunami-Opfern. Schulen und Kinder werden von
karitativen Großorganisationen eingespannt, wie etwa von der
UNO-Flüchtlingshilfe, die gleich die Materialien für den Sponsorenlauf
liefert, einschließlich rechtlich verbindlicher Spendenerklärungen.
Manchmal wird das eingetriebene Geld aber auch für die Renovierung oder
den Ausbau der Schule verwendet, wie in den obigen Beispielen. Also für
eigentlich staatliche Aufgaben. Die Kassiermethoden sind dieselben.
So oder so geht es um
Geld: Ganz nebenbei lernen die neuen Gutmenschen, dass Hilfe in jedem
Fall aus Geld bestehen muss. Mitleid und Geldströme werden durch
Marketing geweckt und gelenkt; wer Geld an Institutionen zahlt, ist ein
guter Mensch. Resultat: Hilfe ist nicht mehr an Beziehungen geknüpft.
Geholfen wird nur noch, wo es keine persönlichen Beziehungen mehr gibt -
wo es direkte Beziehungen gibt, wird nicht mehr geholfen. Dieselben
Kinder lassen alte Damen mit schweren Taschen ungerührt die Treppen hoch
keuchen und bleiben in der U-Bahn sitzen, wenn sich direkt daneben ein
Senior an die Haltestange klammert. Die natürliche Hilfsbereitschaft
wird aus den direkten Zusammenhängen und Nachbarschaften abgezogen, in
Geld umgemünzt und anschließend von nationalen oder internationalen
Institutionen abgesaugt. Gefragt ist ausschließlich "Cash": Wie sagte
doch der ehemalige US-Präsident George W. Bush 2010 nach dem Erdbeben
von Haiti: "Ich weiß, eine Menge Leute wollen Decken schicken oder
Wasser. Schickt einfach euer Geld!"
|
__________________________________
Autor und Copyright: Detlev Ackermann, Laufen-in-Koeln
|
|
|
|
 |
|