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Als
Läuferin, Gesundheitsfreak und Leiterin einer Laufgruppe kann auch ich mich
nicht davon freisprechen, immer mal wieder Probleme mit dem Bewegungsapparat,
Überlastungserscheinungen oder auch mal eine ganz normale Krankheit wie eine
Erkältung oder eine Darmgrippe zu haben. Aber hier die Story von Ralf (35), der
seine 10-km-Zeit nach einer Krankheit um fast vier Minuten verbessert hat. Wir
Läufer sind ja ein seltsames Volk und suchen eigentlich nie nach Gründen, nicht
trainieren, sondern hören immer viel lieber, dass zumindest regeneratives
Training oder Ausgleichstraining wie Radfahren oder Schwimmen bei unserer gerade
aktuellen Krankheit noch zu bewerkstelligen sei. So war das bei Ralf, der nicht
nur eine leichte akute Grippe hatte, sondern auch schon seit längerer Zeit leise
anmerkte, dass sein Knie oft nach dem Training schmerze und auch seine Hüfte bei
längeren Läufen Probleme mache. Dennoch trainierte er so lange täglich mit
seiner Erkältung, bis sein Arzt ihm das Training verbot, da er ein Antibiotikum
einnehmen musste. Und Ralf litt! Dabei vergaß er einfach, das Leben mal faul zu
genießen und vor allem auch dass es viele positive Aspekte bei einer
Trainingspause gibt, zum Beispiel:
1. Dass man zwar in Trainingspausen oft sehr schnell zunimmt. Allerdings
verliert man das auch wieder genauso schnell.
2. Dass nach einer längeren Pause oft alle anderen alten Wehwehchen gut
abheilen. Nicht selten ist man nach einer krankheitsbedingten Trainingspause
viel fitter als zuvor!
Dies traf auch auf Ralf zu. Nachdem er drei Wochen nicht trainieren durfte,
schwebte er förmlich bei seinen ersten kurzen Läufen dahin und lief beim
nächsten 10-km-Volkslauf fast drei Minuten schneller als zuvor. Sein Knie und
auch seine Hüfte murrten nicht.
Er war nun so im Glückstaumel, dass er gleich am Tag nach dem Wettkampf wieder
beim Tempotraining unseres Lauftreffs auf der Matte stand. Er kämpfte wieder wie
in alten Zeiten, und schon war seine neu erworbene Lockerheit dahin. In den
nächsten Tagen und Wochen machten nicht nur die alten Wehwehchen wieder auf sich
aufmerksam, es kündigte sich sogar erneut ein Schnupfen an.
Besser wäre es wohl gewesen, Ralf wäre am Tag nach dem Wettkampf einfach mal in
die Sauna gegangen oder hätte nur Denksport betrieben. Beides ganz hervorragend
kombinieren kann man einfach mit Schwimmen, Bowlen, tanzen gehen, usw. Aber bei
Ralf war fortan wieder sein alter Trott Herr der Lage, und dementsprechend blieb
er bei den beiden nächsten Volksläufen wieder weit über der neu erworbenen
Bestzeit.
Ich beobachtete auch, dass Ralf, so fleißig er auch im Training war, nie
ausgiebig dehnte oder seine Muskulatur mit einfachen Übungen unterstützte,
vielleicht hielt ihn genau das von einer richtig guten Form ab: Er beschäftigte
sich zwar sehr viel mit gesunder Ernährung, doch die anderen sehr wichtigen
Aspekte der Gesundheit wie Stretching, Rückenschule oder Knieaufbautraining sah
er als "Weiberkram" an. Als ich seine Freundin einmal darauf ansprach, verriet
sie mir ein Geheimnis unter Frauen, was sicherlich auch auf viele Sportler
zutrifft: Ralf ist total steif und unbeweglich! Er schafft es kaum, sich die
Schuhe zuzubinden, ohne ein Bein auf einen Stuhl zu stellen. Und sie verriet mir
auch, dass er bei der - außer Laufen und Essen - schönsten Sache der Welt sehr
unbeweglich und steif sei (und das ist beim Sex nur bei einem einzigen kleinen
männlichen Körperteil erwünscht!).
Bei unserem lustigen Gespräch über ihren Lebenspartner beschloss Anke, Ralf
davon zu überzeugen, nicht immer nur ans Laufen zu denken. Laufen ist
unbestritten ein toller Sport. Aber man kann sich auch mal anders bewegen und
sollte - allein um im Geist nicht einzurosten - auch mal ab und an einfach etwas
anderes auszuprobieren.
Anke erzählte mir noch von einem bereits fehlgeschlagenen versuch, ihn für ihren
Fittnessclub zu gewinnen: Draußen regnete es in Strömen, und daher hat sich Ralf
kurzerhand zu einer Probestunde mit in ihr Studio genommen. Natürlich waren mal
wieder alle Laufbänder mit walkenden Frauen belegt, die sich auch nicht durch
Ralfs professionellen Auftritt (Sprinterhöschen und T-Shirt mit
Volkslauf-Aufdruck) beeindrucken ließen. Aber Iron-Ralf wartete tatsächlich über
30 Minuten sitzend vor den Laufbändern, obwohl alle anderen Ausdauergeräte
(Rudergerät, Radergometer, Stairmaster usw.) frei waren. Auch machte er sonst
nichts Aktives wie z.B. Lockern, Streching oder Training mit Gewichten oder
Geräten.
Als er endlich "drankam", lief er wohl über eine Stunde mit hochrotem Kopf auf
dem Laufband. Anschließend hat er nur kurz seine Waden gedehnt und ist mit stolz
geschwellter Brust unter die Dusche abgezogen. Nachdem Anke Ralf wenig später
dann doch überzeugen konnte, dass man im Fittness-Studio mehr machen kann, als
das Laufband zu vergewaltigen, und er sogar einige Kurse belegte, macht ihm das
Laufen nun wieder richtig Spaß und ist kein täglicher Kraftakt. Diese
Kombination tut nicht nur seinen Knien gut, die er inzwischen muskelmäßig,
"aufgepeppt" hat, auch sonst hat er seine Lebensqualität um einige Prozentpunkte
erhöht; er ist nicht mehr dünn wie ein Bleistift sondern hat sogar einige
definierte Muskeln am Oberkörper bekommen. Diese Muskeln haben ihn übrigens auch
nicht davon abgehalten, seine Bestzeit noch einmal um einige Sekunden zu
verbessern, und, was vielleicht noch wichtiger ist: Auch in der Beziehung von
Ralf und Anke läuft es zurzeit bestens!
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Autor: Copyright Maria-Cecile Meuser
Foto: Maria-Cecile Meuser
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