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Ein Laufbericht von von Wolfgang
Menzel
Fast 100 Marathons und Ultras bin ich auf der ganzen Welt gelaufen. Viele sehr,
sehr schöne Läufe waren dabei. Der Comrades im Jahr 2000 und der Two Oceans 2001
in Kapstadt gehörten zu den absoluten Highlights. Insbesondere der Comrades nahm
in meiner Erinnerung eine absolute Ausnahmestellung ein. Das Motto war: Wenn Du
einen Lauf wiederholen mußt dann den Comrades. 2006 sollte es noch mal so weit
sein.
Die Vorbereitung für diesen
schweren Ultra war alles andere als gut. Aber der Wunsch da zu laufen, hat meine
schwache Form überlagert. Durchschnittlich magere 50 km in der Woche betrug mein
Pensum. Mehr ließen die Umstände nicht zu. Meistens hatte ich Beine wie Blei. Im
März stellte ich beim Königsforstmarathon in 4.50 h einen persönlichen
Negativrekord auf dieser Strecke auf. Für die zweite Hälfte brauchte ich 2.40 h.
Da kamen mir doch erhebliche Zweifel, das der Comrades noch mal zu packen ist.
Ostersonntag lief ich den 50 km Zunft-Kölsch-Lauf von Porz nach Bielstein. In
5.20 h ging das schon etwas besser. Die Strecke habe ich gewählt, weil sie fast
ausschließlich über Straßen geht und auch profiliert ist.
Zu den Besonderheiten des
Laufes gehört, das er jedes Jahr die Richtung wechselt. Dieses Jahr führte er
aus der Millionenstadt Durban am Indischen Ozean durch das land of thousand
hills nach Pietermaritzburg. Also ein up-run. Bei den down-runs wird in
Pietermaritzburg gestartet und Durban ist das Ziel. Am 24.5.1921 wurde der Lauf
erstmals ausgetragen, im Gedenken an die im ersten Weltkrieg gefallenen
Kriegskameraden (comrades). Gewonnen hat Bill Rowan in 8.59 h; 16 Finisher gab
es. Nur unterbrochen vom zweiten Weltkrieg fand dieses Jahr schon die 81.
Austragung statt. Auf 87,5 km sind insgesamt 45 Steigungen und knapp 1.800
Höhenmeter zu bewältigen. Die Strecke führt ausschließlich über Straßen und nur
selten spenden Bäume Schatten. Der Juni ist in Kwa Zulu Natal mit theoretisch
einem Regentag der regenärmste Monat. Noch nie sind mir ältere Comrades-Bilder
mit schlechtem Wetter aufgefallen. Auch dieses Jahr war es trocken und strahlend
blauer Himmel.
Nach dem Jubiläumsjahr 2000 (75. Austragung,24000 Starter,20000 Finisher!!!!
wohlgemerkt wir reden von einem Ultra!) haben sich die Teilnehmerzahlen bei den
up-runs bei 12.000 eingependelt, davon 2000 Frauen in diesem Jahr. Bei den
down-runs in den ungeraden Jahren nehmen noch mal 2-3000 Sportler mehr teil.
Lediglich 22 Deutsche nahmen den 11 ½ stündigen Flug über Johannesburg nach
Durban in Angriff. Fast alle flogen mit SAA Montagabend von Ffm. Beim Flug von
Joberg nach Durban wurde die Anzahl der Comrades-Teilnehmer schnell wesentlich
größer. So sass neben uns, Nick Bester, Comrades Gewinner von 1991, der dieses
Jahr verantwortlicher Manager für das Team von Harmony Gold war. Alle 22
gestarteten Deutschen erreichten auch das Ziel. Hinzu kommt noch eine
überschaubare Zahl an Deutschen, die schon seit Jahrzehnten in Südafrika leben
und arbeiten und für ihre südafrikanischen Leichtathletikclubs oder
Betriebssportmannschaften laufen.
Wer bekommt welche Medaillen beim Comrades ? Goldmedaillen gibt es für die
jeweils ersten 10 Frauen und Männer. Silber für alle Läufer unter 7 ½ Stunden.
Für eine Zeit zwischen 7 ½ - 9 Stunden gibt es die Bill Rowan Medaille, die zur
Hälfte aus Silber und Bronze besteht. Bronze erhalten die Läufer zwischen 9 und
11 Stunden. Letztlich erhalten die Läufer, die in der letzten Stunde finishen,
die Vic Clapham Medaille, die aus Kupfer besteht. Vic Clapham wird als Erfinder
des Comrades bezeichnet. Dieses Jahr waren es über 2.600 Läufer die zwischen 11
und 12 Stunden brauchten.
Unser Quartier hatten wir an der Golden Mile am Indischen Ozean, im Holiday Inn.
Dienstagnachmittag gingen wir direkt zur Marathonmesse um uns die
Startunterlagen abzuholen. Für die ca. 300 Internationals gibt es einen extra
Eincheck-Schalter. Dort wurden wir liebevoll betreut und es konnten noch
Fehleinstufungen in den Startboxen korrigiert werden. So hatte man unseren
stärksten Mann Andreas Seeger irrtümlich aus der Startgruppe F starten
lassen wollen. Das konnte aber noch in die Gruppe A geändert werden. Am ersten
Messetag waren noch nicht alle Messestände aufgebaut, so das es noch recht ruhig
dort zuging. Jedoch haben sich einige aus unserer Gruppe das Comrades-Tattoo
nicht entgehen lassen. Neben den Internationals gibt es noch eine Läufergruppe
Rest of Africa.
Mittwoch war für die Novizen Streckenbesichtigung und Visite im Comrades-Museum
in Pietermaritzburg angesagt, unter fachkundiger Leitung des 14-maligen
Comrades-Finishers und offiziellem Comrades-Botschafters Klaus Neumann. Ich
persönlich habe zu Fuß u.a. die West Street mit dem Startgelände inspiziert. Die
West Street ist 6-spurig und nimmt die große Läuferschar gut auf. Am Donnerstag
stand relaxen und eine Stadtrundfahrt auf dem Programm. In unserer 9-köpfigen
Reisegruppe von Werner Otto Sportreisen in Brühl herrschte die ganze Zeit eine
Superstimmung. Werner Otto und Andrea Seeger feuerten uns an. Neben meiner
Wenigkeit waren dabei: die Altenburger Kanuten Frank Karsupke und Karsten
Sichel, Martina Christ und Matthias Pauer,Heinz Gollner und Andreas Seeger.
Donnerstagabend trafen wir uns im Domizil der Michael-Schläbitz-Truppe, im
Balmorel, um den morgigen Lauftag zu besprechen und Pasta zu essen. Michael
hatte einen Bus organisiert, der für Gepäcktransport, für unsere
Schlachtenbummler und für die Rückfahrt zur Verfügung stand. In seiner
Reisegruppe befanden sich 9 Läufer, so das sich in diesen beiden Reisegruppen
schon über ¾ aller dt. Läufer wiederfanden.
Der Comrades findet immer am youth day statt, der dieses Jahr auf einen
Freitag fiel. Es ist ein nationaler Feiertag anlässlich des Schüleraufstandes in
Soweto, der sich zum 30. Mal jährte. 5.30 Uhr ist Start, 3 Uhr klingelt der
Wecker. Beim Frühstück in unserem Hotel treffen wir Hunderte anderer Läufer.
Bevor es zum Start geht, machen wir noch einen kleinen Schlenker zum Balmorel,
wo der Bus auf unser Gepäck wartet.
Da es nur 1 ½ km zum Start sind verzichten wir auf die Busfahrt und gehen zu
Fuß. Auf dem Weg zum Start wünscht uns sogar das horizontale Gewerbe einen guten
Lauf. Schon bald kommen wir an die erste Absperrung, wo nur Läufer durchgelassen
werden. Diese weiträumige Absperrung verschafft den Läufer einen stressfreien
Aufenthalt im Startbereich trotz der großer Starterzahlen. Der ganze Startprozeß
und der Aufenthalt im Startblock ist beim Comrades schon ein besonderes
Erlebnis. 5.15 Uhr muß man in einem zugewiesenen Startblocks A H sein. Wer
diesen Zeitpunkt verpasst, darf von ganz hinten starten. Die Mitglieder des
Green-Number-Clubs haben einen Extra-Startblock in der Mitte. Voraussetzung für
den Club ist, das man den Comrades mindestens 10 x in der Sollzeit geschafft
hat. Bei 20 x gibt es eine double-green-number und bei 30 x eine
triple-green-number.
Versuche sich von einem hinteren Startblock in einen vorderen zu pfuschen sind
nahezu zwecklos, da die Offiziellen sehr aufmerksam sind. Ich persönlich gehe in
Startblock C, wo ich sehr gut zu einem der mächtigen Lautsprecher stehe und die
laute und gute Musik geniessen kann. Den vorsichtshalber mitgebrachten Müllsack
brauche ich nicht, da es mit ca. 16 Grad schon recht mild ist. Der Speaker
stellt einige Favoriten vor und erwähnt die teilnehmerstärksten ausländischen
Nationen. Insgesamt erzeugt der Speaker eine spannende Dramaturgie, in der er
den Startern klar macht, das sie am greatest road race on earth teilnehmen.
Die Läuferhymne chariots of fire sorgt für weiteres Gänsehautfeeling. Am
bewegensten ist jedoch, wenn von den schwarzen Läufern mehrmals shosholoza
angestimmt wird, was soviel bedeutet wie vorwärts/voran. Wie auch im Ziel kommen
mir die Tränen.
Der ganze Startbereich an der City Hall ist ausgeleuchtet. Aus den Lautsprechern
dringt jetzt das traditonelle Hahnengeschrei; sicheres Zeichen, das es bis zum
Startschuß nicht mehr lange ist. Wie ein Donnerhall knallt es dann exakt um 5.30
Uhr und 2 Sekunden. Dies erkenne ich erst am PC, der uns im International Zelt
am Ziel zur Verfügung steht. Dort ist zu sehen, das der Abschuss des Rennen für
17.30 Uhr und 2 Sekunden vorgesehen ist. Beim Comrades lässt man den Läufern
genau 12 Stunden Zeit. Auf die Sekunde. Nachwievor gilt die Regel gun to gun,
d.h. das die Zeit für jeden Läufer mit dem Startschuss tickt und nicht erst wenn
er die Startlinie überläuft.
Ich benötige eine knappe Minute bis ich über die Startlinie bin. In 6-7 Minuten
sind auch die letzten Läufer über die Startmatte. Trotz Dunkelheit werden wir am
Start und auch auf den ersten Kilometern von regelrechten Zuschauermassen
angefeuert. Viele Zuschauer gibt es über fast die gesamte Strecke. Nur selten
finden sich Abschnitte in dünner besiedelten Landstrichen, wo keine Zuschauer an
der Strecke sind.
Auf dem ersten Kilometer muß man wegen der großen Läuferdichte aufpassen, das
einem niemand in die Hacken tritt. Sobald der 1 km geschafft ist, kann man aber
mehr oder weniger frei laufen. Aufgrund des großen Feldes befindet man sich über
das ganze Rennen in Läuferpulks und hat immer Gesellschaft von anderen Läufern.
Das man mal wie beim Bieler 100er allein auf weiter Flur ist, ist beim
Comrades vollkommen undenkbar. Die Brücken, die wir beim Herauslaufen
unterqueren, sind voll von Menschen. Über breite Zubringerstraßen finden wir den
Weg aus der Stadt. Wir passieren den botanischen Garten, den wir gestern schon
im Hellen bei unserer Stadtrundfahrt besuchten. Schon bald sind wir in der
ersten Villengegend, in einem Vorort von Durban. Die Villen sind hoch umzäunt
und die Sicherheitsfirmen haben Ihre Schilder deutlich sichtbar an den Häusern
angebracht. Gegen 6.30 Uhr wird es hell und es beginnt auch das Grillen
(südafrikanisch: braii) eben vor den Villen. Es ist nicht übertrieben, wenn man
den Comrades als ein einziges Barbeceu bezeichnet. Ich hätte an der Strecke
statt Schokoriegel und Obst auch Zehntausende von Bratwürsten essen können. Nach
14 km erreichen wir Cowies Hill, den 1. der Big Five. Die Big Five stehen hier
aber nicht für Elefant, Leopard, Nashorn, Büffel und Löwe, sondern meinen die 5
kräftigsten Anstiege. Cowies Hill hat über 1,5 km 137 Höhenmeter. Da die Läufer
noch frisch sind, merkt man den kaum. Angezeigt wird den Läufern übrigens immer
die Km, die noch zu laufen sind.
Bei Km 22 kommt der 2. der BigFive. Fields Hill. Er liegt auf Pinetowns alter
Hauptstraße und hat 213 Hm auf 3 Km. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Dinge, die
da noch kommen. Nach Fields Hill geht es wieder runter und wir kommen über Kloof
nach Winston Park. Hier ist der erste von insgesamt fünf cut offs. Wer um
10.30 Uhr nicht dort ist, wird aus dem Rennen genommen. 59 km haben die Läufer
noch vor sich.
Bevor wir den 3. der Big Five erreichen, treffen wir auf unsere
Schlachtenbummler. Für Sie ist es gar nicht so einfach, einen geeigneten Platz
zum Heranfahren mit dem Bus an die Strecke auszuwählen. Sie wollen natürlich
möglichst alle Läufer aus den beiden Reisegruppen sehen. Andererseits wollen Sie
auch so rechtzeitig im Ziel sein, das sie den Einlauf des Siegers mitbekommen.
Nach dem flachen Hillcresst kommt bei km 37 Bothas Hill, der 3. der Big Five,
722 müM. 150 Hm auf 2,4 km. Bothas Hill zu erklimmen, heißt auch am Kearnsey
College vorbeizukommen. Es wird nur von Jungen besucht. Schick sehen sie aus in
ihren Schuluniformen. Seit Jahrzehnten schon bilden sie hier eine
Verpflegungsstation und feuern die Läufer enthusiastisch an. Die Zuschauer
stehen fast so eng, wie auf einer Tour-Etappe nach Alpe dHuez. Das Motto der
Schule ist carpe diem.
Es dauert nicht lange, da liegt rechts am Straßenrand die wall of honour. Im
Hang sind in Betonsteine Plaketten gefasst, wo sämtliche Comrades-Sieger
verewigt sind. Auch meine Vereinschefin, Birgit Lennartz, die 1999 das down-race
gewann. Von hier aus hat man eine phantastische Aussicht über das Valley of
1000 Hills. Wenige hundert Meter weiter auf der linken Seite kommen wir zu
Arthurs Seat, in Erinnerung an Arthur Newton, der in den 20er Jahren 5 mal den
Comrades gewann. Die Legende besagt, das sich Newton in einer Felsnische immer
ein kleines Päuschen gönnte. Weiterhin besagt die Legende, das man für die 2.
Rennhälfte auf eine tolle Performance hoffen darf, wenn man den Hut vor ihm
zieht, eine Blume auf dem Sitz hinterlegt und good morning Sir sagt.
Danach geht es steil runter nach Drummond. Die Hälfte ist geschafft. Hier ist
der 2. cut-off. 11.30 Uhr müssen die Läufer durch sein. Auch hier steht ein
Offizieller mitten auf der Straße, der das Rennen für die zu spät kommenden
Läufer abschießt. Es spielen sich ähnliche Dramen ab, wie im Ziel. Es gibt
wirklich Läufer, die eine Sekunde zu spät sind und nicht weiter laufen dürfen.
Sorry, that are the rules. Knallhart.
Meine Uhr weist in Drummond ca. 5 Std. Laufzeit aus. Für die zweite Hälfte
bleibt also ausreichend Zeit um vor dem Zielschluß da zu sein. Der 4. der Big
Five lässt nicht lange auf sich warten. Bei km 45 beginnt Inchanga. 150 hm auf 2
½ km sind für sich genommen nicht viel. Da es insgesamt aber schon ca. der 25.
Anstieg ist, erscheint einem Inchanga als wahres Monster von Berg. Nicht nur ich
gehe Teile des Berges. Das gibt Gelegenheit zu vielen netten Gesprächen mit
anderen Läufern. Ohnehin sind die Overseas Runners hier Exoten und an Ihrer
andersfarbigen Start-Nr. gut zu erkennen. Dieses Erlebnis durfte ich auch schon
vor 6 Jahren machen, das man wegen blauen Start-Nr. häufig angesprochen wurde.
Beim Comrades wird nicht nur vorne eine Start-Nr. getragen, sondern auch auf dem
Rücken. Dort ist abzulesen: die Anzahl Comrades, welche Medaillen der Läufer
schon gewonnen und von welcher Sorte. Bei mir stand bei Runs und bei Bronze
jeweils eine 1. Außerdem war das Alter aufgedruckt und Germany. Dies führte
dazu, das ich bestimmt 10 x gefragt wurde, ob Deutschland denn
Fußball-Weltmeister würde, was ich jedoch verneinte und auf Brasilien tippte.
Auch falsch, wie sich später rausstellte.
Unmittelbar nach Inchanga ist Amanzondi Store and Bakery. Die Helfer an der
Verpflegungsstelle sind alle in ihrer weißen Kochkluft angetreten incl. Mütze.
Das gibt ein schönes Bild, da es über 30 Köche sind.
Die nächsten Kilometer bezeichnen die Südafrikaner als die flats. Gemeint ist
Harrison Flats. Wer glaubt, das ständige auf und ab hätte ein Ende, der irrt.
Hier spricht mich Stefan an; er arbeitet an einer Johannesburger Universität und
trägt eine gelbe Start-Nr. Er erklärt, das gelb quasi die unmittelbare Vorstufe
für eine green number ist. D.h. er hat bereits 9 x erfolgreich teilgenommen und
im Ziel ist er dann Mitglied des green-number-clubs. Er erhält dann eine
permanent number, die sich für den Rest seines (Comrades)-Lebens nicht mehr
verändert. Mit den Städtchen Cato Ridge und Camperdown kommen zwei weitere
Zuschauerschwerpunkte. In Cato Ridge sind es noch 31 km to go. Hier ist auch der
dritte cut off um 14.30 Uhr, nach 9 Stunden Laufzeit. In dieser Gegend liegt
die Ethembeni School, wo behinderte Kinder lernen und leben. Sie versorgen uns
mit Getränken und wir bedanken uns durch Abklatschen. Ich sehe Albinos und
Kinder mit Behinderungen, da bleibt mir die Spucke weg. Ich denke mir : Mein
Gott, was geht es uns Läufern doch gut; wir können laufen.
Nach Camperdown kommt schon die 35. Verpflegungsstation von insgesamt 50 ! Jede
Station ist komfortabel bestückt und vor Ihnen befinden sich immer 3 riesige
Wasserbottiche, die ich mittlerweile wegen der Hitze zum Kopf kühlen nutze und
zum Tränken der Mütze, die ich zum Schutz doch aufsetze. Trinken, trinken,
trinken ist oberstes Gebot. Und das wird wie üblich in Südafrika sehr
erleichtert durch praktische 150ml-Beutel Wasser und verschiedene Sorten
Energades. Sie lassen sich mit den Zähnen sehr leicht aufreißen und man drückt
die Flüssigkeit dann in den Mund und verliert keinen ml. Viel praktischer wie
unsere hiesigen Becher. Es ist uns allen ein Rätsel, warum sich diese Beutel
nicht bei den europäischen Großveranstaltungen wieder finden. Wem die Beutel zu
kühl sind, hält sie einfach eine Weile in der Hand und schon sind sie trinkbar.
Je nach Streckenprofil sieht man manchmal schon den nächsten Verpflegungsstand,
obwohl gerade erst der letzte verlassen wurde. Auch das trägt zur Motivation
bei. Wie die unendlichen Zuschauer, die einfach mit Ihrem Wagen an die Strecke
ran fahren. Alle Türen aufreißen und die Musik laut drehen und was
machen?......... grillen !
Nicht nur wegen der vielen Zuschauer hat man Abwechslung, sondern auch wegen der
vielen Kurven. Ständig schlängelt und windet sich die alte Landstraße. Selten,
das man langweilige gerade Abschnitte da. Schon lange habe ich die Taktik der
wirklich armen, schwarzen Kinder bemerkt, die sich geschickt immer hinter den
Verpflegungsständen aufbauen. Sie warten darauf, das für sie von der
Läuferverpflegung etwas abfällt. Ich bestücke mich statt mit einem Schokoriegel,
also mit 3 Stück und verteile die nicht von mir benötigten auf die Kinder. Auch
ein Becher Cola ist für die Kinder Luxus. Sie danken es den Läufern mit einem
strahlendem Lächeln.
Wir nähern uns langsam dem höchsten Punkt der Strecke, Umlaas Road auf 870 hm.
Von hier aus sind es noch ca. 19 km bis Pietermaritzburg. Hier ist kein
besonderer Berg die meisten Läufer bemerken diesen höchsten Punkt gar nicht.
Die Stelle ist nicht speziell gekennzeichnet. In der Nähe befindet sich ein
großer Wasserturm. Hier ist auch der vorletzte cut-off um 15.30 Uhr. Durch Lion
Park geht es weiter nach Ashburton, wo einer der Punkte ist, wo sich die
autorisierten Fotografen zum Foto-shooting postiert haben. Alle Läufer konnten
Ihre Start-Nr. so kenntlich machen, ob sie geknipst werden wollten oder nicht.
10 km to go. Vor den Läufern liegt aber noch der 5. der Big Five. Schon vor 6
Jahren dachte ich: das zieht Dir ja die Socken aus. Zunächst kommen aber die
sog. little pollies. Viele verwechseln diese Hügel mit den wahren Polly
Shorts. Diese haben zwar nur gut 100 hm auf 1,8 km. Ich gebe zu bedenken, das
die Läufer hier fast zwei Standard-Marathons in den Beinen haben. Und das bei
Temperaturen bis zu 30 Grad und unzähligen Steigungen und Abwärtspassagen, was
vielen noch unangenehmer ist. Die Oberschenkel brennen. Auf der Spitze der Polly
Shorts ist auch der letzte cut-off um 16.50 Uhr. Wer den gepackt hat, besitzt
gute Chancen ein Comrades-Heroe zu werden. 40 Minuten bleiben für die letzten 8
km.
Bis auf einen kleinen Gegenanstieg wars das endlich mit den Steigungen. Nachdem
Polly Shorts hinter mir liegt, bin ich am rechnen, ob es noch für eine Zeit
unter 11 Stunden reicht (der alten Sollzeit). Ich frage einen Südafrikaner und
der meint: easy. Ich bin mir da noch nicht so sicher. Deswegen frage 1-2 km
weiter erneut eine Gruppe, die hier jeden Meter des Schlußstücks kennen. Hier
bekomme ich den Spirit des Comrades und die Kameradschaft direkt zu spüren. Denn
die Gruppe antwortet: Komm wir nehmen Dich mit und führen Dich unter die 11.
Die letzten km sind wirklich gut zu laufen; es geht ständig leicht bergab auf
die Zielhöhe von 650m. Ca. 2 km vor dem Schluß beginnen die Absperrungen, die
einen das Ziel erahnen lassen. Es ist nicht wie bei meinem 1. Comrades im
Scottsville Race Course, sondern im Oval Cricket Grounds in Nachbarschaft zu
einem Rugby Stadium. Kurz bevor es rechts in das Oval abgeht, laufe ich direkt
auf den ersten Speaker zu, der die Läufer begrüßt und froh ist mal wieder einen
Teilnehmer aus Germany zu sehen. Well done, Wolfgang. Well done. Auf den letzten
Metern vernehme ich aus den Lautsprechern zum zweiten Mal, Wolfgang Menzel from
Germany. Das erfüllt mich doch mit großem Stolz. Vor dem Zieleinlauf liegt links
das extra für die Internationals hergerichtete Zelt, wo mir die deutschen
Mitläufer zujubeln, die sich schon längst über das kalt-warme Buffet hergemacht
haben.
Ich bin in der glücklichen Lage Vergleiche zum Jahr 2000 ziehen zu können. Der
Genuß des Zieleinlaufs, das Laufen über den mit bunter Werbung bemalten
Rasenteppich, die Begeisterung des Publikums und die einzigartige Atmosphäre
sind wie beim 1. Mal, einfach geil. Mit 10.48 h belege ich Platz 6465 von 12000
Startern. Obwohl ich 1 ½ Stunden langsamer bin wie vor sechs Jahren, bin ich
angesichts meiner Vorbereitung und der dieses Jahr gezeigten Leistungen höchst
zufrieden. Mein bester Lauftag in 2006.
Tags drauf sind alle Zeiten des gesamten Läuferfeldes im The Independent
nachzulesen. Neben Name, Zeit, Platzierung und Start-Nr. ist die Anzahl der
erfolgreich absolvierten Comrades aufgeführt. Da steht bei mir jetzt schon eine
2. Die Zeitung ist recht ergiebig, was spektakuläre Fotos anbetrifft. Auf der
Titelseite kriecht Farwa Mentoor auf allen Vieren über den Rasen ins Ziel. Als
beste Südafrikanerin ist sie 6. bei den Frauen. Sie hat offensichtlich zu wenig
getrunken. Die Ärzte brauchen mehrere Stunden, um sie im Medizinzelt zu
stabilisieren.
Auch ist ein Bild in der Zeitung, wo der 1. Läufer zu sehen ist, der die 12
Stunden um eine einzige Sekunde verpasst hat. Er liegt vollkommen erschöpft kurz
vor der Zielmatte und wird nicht als Finisher gewertet. Leider keine Medaille !
Diese Bilder von Läufern, die versuchen mit letzter Kraft über die Ziellinie zu
hechten und Bilder, wo Läufer Ihre Kameraden im wahrsten Sinne des Wortes über
die Linie schleppen und tragen, verfestigen die Legende vom Comrades noch
weiter. Genauso wie die Sieger wird die Läuferin abgebildet und mit einem extra
großen Blumenstrauß geehrt, die es als letzte in genau 12.00.00 Std. geschafft
hat. Sie ist jetzt ein Comrades-Finisher und das zählt was in Südafrika. Exakt
9838 LäuferInnen haben es gepackt. Ca. 2000 scheiterten. Es ist jetzt 17.30 Uhr
und wird stockduster.
Auch an den Preisgeldern lässt sich die Bedeutung des Rennens ablesen. Elena
Nurgalieva Siegerin bei den Frauen in 6:09:24 geht mit insgesamt 1.44 Mio.
Rand nach Hause (ca. 180.000 ). Die Summe setzt sich aus Preisgeld,
Streckenrekordprämie, einer 100 Unzen-Gold-Statue und Geldern des Sponsors
zusammen. Kein Wunder, das die Summen die Weltelite der Ultras anlocken. Bei den
Männern siegt der Russe Oleg Kharitonov in 5:35:19, was 700.000 Rand Preisgeld
ausmacht. Der Up-run-Streckenrekord seines Landsmannes Kotov (Bronze im Marathon
bei der Olympiade in Moskau) aus dem Jahr 2000 (5:25:33)bleibt unangetastet.
Kotov den ich auch im Marathon durch die Taroko-Schlucht 2004 traf hatte die
drei letzten Up-runs 2000, 2002 und 2004 gewonnen. Er wird dieses Jahr 3. vor
einem weiteren Russen, Gregory Murzin. Auch bei den Frauen belegen die Russinen
noch die Plätze 2,3 und 5. Die russischen Läufer betrachten den Comrades als
ihre cash-cow. Vierte wird die deutsche Maria Bak, dreimalige Comrades-Siegerin,
was ihr in Südafrika natürlich einen sehr hohen Bekanntschaftsgrad verschafft
hat.
Tumultartige Szenen haben sich im Zielbereich abgespielt, als der zweite Mann
einlief, der in Kwa Zulu Natal geborene Brian Zondi. Den Jungen hatte für die
Top Ten niemand auf der Rechnung. Es war seiner erster Lauf oberhalb der
Marathondistanz und große Ahnung vom Streckenverlauf hatte er auch nicht.
Ebensowenig war er sich über die hohen Preisgelder nicht im Klaren. Solche
Geschichten schreibt der Comrades auch. Seine Familie hat jetzt ausgesorgt.
Obwohl nur Zweiter, hat er Kharitonov die Show gestohlen.
In der Zeitung ist auch ein Läufer (green number) abgebildet, den ich unterwegs
häufig im Blick hatte. Die ganze Strecke lief er im Anzug. Als wenn es nicht
schon so heiß genug gewesen wäre. Des weiteren sind die Läufer mit dem
abenteuerlichsten Kopfschmuck zu sehen. Alles mögliche Getiers wird durch die
Gegend getragen.
Bester deutscher männlicher
Teilnehmer ist unser Andreas Seeger aus Mülheim/Ruhr. Mit 7:26:55 schafft er
die erträumte Silbermedaille. Auch alle anderen Teilnehmer unserer Reisegruppe
sind begeistert von Ihrem ersten Comrades und mit Ihren Zeiten sehr zufrieden.
Was gibt es sonst noch anzumerken ? Der Bedeutung entsprechend, wird der Lauf 12
Stunden live im Fernsehen übertragen. Das Startgeld beläuft sich für die
Ausländer auf 150 US $. Alle Afrikaner zahlen 150 Rand (ca. 19 ). Die down-run
Rekord hält bei den Männern seit 20 Jahren Bruce Fordyce in 5:24:07 und Frith
van der Merwe bei den Frauen mit 5:54:43 aus 1989. Den nächsten 3
Comradestermine wurden wie folgt festgelegt: jeweils Sonntag, 17.6.2007;
15.6.2008 und 14.6.2009 also nicht mehr am youth day. Für das Jahr der
Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika hat sich die cma (comrades marathon
association) noch nicht festgelegt. Der Comrades hatte bis 1999 11 Stunden
Sollzeit. Anläßlich des Jubiläums wurde diese Sollzeit 2000 zunächst einmalig
auf 12 Stunden ausgedehnt, um dann 2001 ff. wieder bei 11 Std. zu sein.
Mittlerweile ist die Sollzeit generell bei 12 Stunden. Erwähnen möchte ich auch
noch ein paar Zahlen aus dem Jahr 2000 weil sie für einen Ultra unvorstellbar
hoch sind. In der letzten Stunde finishten ca. 6000 Läufer, alleine in den
letzten 6 Minuten 1.600 !!!!
Es gibt unzählige Anekdoten zu diesem Lauf, die berichtenswürdig wären, was
allerdings den Rahmen dieses Berichtes vollends sprengen würde. Eine möchte ich
noch erwähnen. Ein deutscher Marathonrekordjäger dessen Bilanz vor einigen
Jahren schon bei 999 absolvierten Marathons stand, musste sich in einem Gespräch
mit einem Südafrikaner in etwa folgendes anhören: Ive 999 marathons Fragt der
Südafrikaner: Did you run comrades. Antwort: no Woraufhin der Südafrikaner
entgegnete: then youve nothing.
Die Ergebnisse aller deutschen Teilnehmer finden sich auf www.comrades.com ,
dann results, danach bei club: germany anklicken.
Der Comrades wird mich sicherlich wieder sehen. Wahrscheinlich schon zum
nächsten Up-run 2008, auch wenn dieser Termin mit dem 50. Bieler kollidiert.
Spätestens jedoch 2010, wenn in Südafrika die Fußball-WM ausgetragen wird.
Der Comrades: Ein Mythos ? Eine Legende ? Ein Super-Ultra ? Alles richtig !!!!
Samstag fuhren wir mit unserer
9-köpfigen Reisegruppe weiter nach Port Edward. Relaxen am Strand und whale
watching ist angesagt. Danach gings noch ein paar Tage in den Golden Gate
Nationalpark in die Drakensberge. Hier rettet uns unser Chefveterinär Frank
Karsupke das Leben, in dem er uns vor den tödlichen Bissen einer hochgiftigen,
schwangeren Puffotter bewahrt. Well done, Frank. Nach diesem Trip geht es nach
Johannesburg zurück. Nach einer Übernachtung in einem Hotel in der Nähe des
Flughafens verlassen uns das Ehepaar Seeger und unsere beiden Ossis (sie wollten
so genannt werden) Frank und Karsten gen Heimat. Zunächst heißt es aber an
unserem Kleinbus morgens: Scheiben kratzen. In der Nacht kann es durchaus Frost
geben. Es ist Winter und Joberg liegt fast 1.800 m hoch.
Für Heinz Gollner, Matthias und Martina und mich ist der Urlaub aber noch lange
nicht zu Ende. Unter fachkundiger Reiseleitung von Werner Otto fliegen wir zu
den Viktoria Fällen mit Unterkunft in Viktoria Falls/Zimbabwe. Die Rundreise
führt uns außerdem noch nach Sambia, Namibia und Botswana, wo wir im Chobe River
Nationalpark ereignisreiche Safaris erleben dürfen.
Fazit: Ein toller Urlaub und ein noch schönerer Lauf liegt hinter mir. Jedem
Ultraläufer empfehle ich auch mal den Comrades zu laufen. Ein höchst emotionales
Lauferlebnis ist garantiert. Als Qualifikation verlangt die CMA eine
Marathonzeit von 5 Stunden. Nicht sonderlich schwierig. Wer die Zeit stehen hat,
kann und sollte es mal versuchen.
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Autor und Copyright: Wolfgang Menzel
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